Der Ausländer an der Spitze der Deutschen

Josef Ackermann soll der Deutschen Bank das Sparen beibringen und sie so vor einer Übernahme bewahren

Die Globalisierung erreicht auch die letzten gesicherten Reservate – sogar die Vorstandsetage der Deutschen Bank in Frankfurt am Main. In der Bank, einer der Zentralen der typisch deutschen Vermischung von Finanzgeschäften und Beteiligungen an großen Industrieunternehmen, wird sich heute ein Novum ereignen: Ab Mitternacht wird dort zum ersten Mal in der über 130-jährigen Geschichte der Bank ein Ausländer den Chefposten übernehmen. Es ist Josef Ackermann, ein Schweizer, der seit 1996 im Vorstand der Deutschen Bank sitzt.

Ackermann soll retten, was zu retten ist. Nicht dass die Geschäfte von Deutschlands größter Bank besonders schlecht laufen würden. Aber der Profit ist wegen hoher Kosten weitaus niedriger als bei den großen internationalen Konkurrenten. Damit liegt der Aktienkurs so niedrig, dass im Prinzip einige angelsächsische Konkurrenten die Deutsche Bank per Aktientausch übernehmen könnten.

Der 54-Jährige startete seine Laufbahn in bester Schweizer Spitzenbanker-Tradition, wechselte dann aber in das angelsächsische Börsengeschäft. Damit vereint er die besten zwei Welten, die sich Banker vorstellen können. Geboren als Sohn eines Arztes im Kanton St. Gallen, studierte er an der dortigen berühmten Managementschule und promovierte dann gleich noch in Volkswirtschaft. 1977 startete er seine Bankerkarriere bei der damaligen Schweizerischen Kreditanstalt, die heute etwas modischer CreditSuisse First Boston heißt. Er betreute Firmenkunden in New York, handelte Devisen in Lausanne, managte Börsengänge in London und wurde schließlich 1993 der zweitwichtigste Mann im Konzern CreditSuisse.

Dann kam der Karriereknick, der Ackermann jedoch letztlich zum Deutsche-Bank-Chef machen sollte: Er kündigte im Juli 1996 plötzlich bei seinem Arbeitgeber. Zwar verlor er in der Öffentlichkeit klassisch dezent nie ein Sterbenswörtchen über die Hintergründe, aber es gab wohl Streit über die Geschäftsstrategie oder den Umbau des Konzerns. Allerdings eilte dem Schweizer ein derart guter Ruf voraus, dass er schon im Herbst als Vorstand für Kreditrisiken zur Deutschen Bank kam – als Außenseiter in der obersten Etage eingestiegen, ein Novum bei der Deutschen Bank. Sein Meisterstück machte er mit der Integration der Bankers Trust, einer 1998 übernommenen US-Großbank. Seitdem ist Ackermanns Hausmacht, das Investmentbanking, die mächtigste Sparte im Konzern. Nach einigen Fehlern des bisher amtierenden Konzernchefs Rolf Breuer gab der Aufsichtsrat der Deutschen Bank schon im September 2000 bekannt, nach der heutigen Hauptversammlung werde Ackermann als neue Nummer eins antreten.

Und der Schweizer mit der internationalen Karriere wird der mächtigste Deutsche-Bank-Chef seit dem Nachkriegs-Übervater Hermann-Josef Abs: Wurde bisher – soweit man weiß – auf der obersten Etage im Frankfurter Zwillingshochhaus gemeinsam entschieden, ist Ackermann nun eher ein Chief Executive Officer nach US-Vorbild, mit alleiniger Geschäftsverantwortung. Diese Macht wird er brauchen, denn Sparen in einer Traditionsbank ist nicht einfach. Wenn es ihm nicht gelingt, könnte er sich nach einer Übernahme als Edelrentner wiederfinden. Dann hätte er wenigstens mehr Zeit für seine Hobbys: klassischen Gesang und Klavier spielen. REINER METZGER