: off-kino Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Für seinen jüngsten Dokumentarfilm über die Kölner Altherrenrocker von BAP hat Wim Wenders von der Kritik ja reichlich Prügel einstecken müssen. Nicht zuletzt deshalb, weil der Regisseur seinem sendungsbewussten Hauptakteur Wolfgang Niedecken kampflos die Bühne überließ, auf dass dieser sich ausführlich und aufdringlich in Szene setzen konnte. Ein Fehler, den Wenders in seiner vorangegangen Musikdokumentation „Buena Vista Social Club“ vermieden hat. Auch hier geht es um das Projekt eines Wenders-Freundes: Der amerikanische Gitarrist Ry Cooder hatte auf Kuba ein Album aufgenommen, das vor allem die Talente von – auch in ihrer Heimat – in Vergessenheit geratenen Son-Musikern wie dem Pianisten Ruben Gonzales und dem Sänger Ibrahim Ferrer herausstrich. Der überraschende kommerzielle Erfolg der Platte führte zu weiteren Aufnahmen, gemeinsamen Konzerten in Europa und Nordamerika – und zu Wenders’ Filmprojekt, in dem sich der Organisator Cooder allerdings eher bescheiden zurückhält.
Im Mittelpunkt stehen die kubanischen Musiker, ältere Herrschaften allesamt: Sie erzählen aus ihrem Leben oder von der Beziehung zu ihrem Instrument, und man sieht sie bei Studioaufnahmen und Konzertauftritten, die von einer enormen Lässigkeit und Selbstverständlichkeit im Umgang mit der Musik künden. Dabei spürt man ihren Spaß zu spielen, die Freude darüber, anderen Menschen Vergnügen zu bereiten, und die Genugtuung, gegen Ende ihres Lebens verdiente Anerkennung zu finden.
Höhepunkt ist ein umjubelter Auftritt in der New Yorker Carnegie Hall, der wiederum eine ganz naive Sightseeing-Tour der Musiker nach sich zieht, die sich über die schönen Häuser und Straßen freuen. Das ist umso anrührender, als man bei den auf Kuba entstandenen Filmaufnahmen auch Wenders’ Faszination für die heruntergekommenen Straßenzüge und die vornehmlich aus den 50er-Jahren stammenden Autos gespürt hat – eine Alltagskultur wie aus einem alten amerikanischen B-Picture, seltsam zeitlos und wohl doch letztlich dem Untergang geweiht.
„Buena Vista Social Club“, 23. 5. im Freiluftkino Kreuzberg, 26. 5. im Adria
„Zwischen Barrikade und Elfenbeinturm“ heißt eine Filmreihe im Arsenal-Kino, die – nicht ganz uneigennützig angesichts der momentanen finanziellen Notlage – noch einmal die Wichtigkeit des Verleihs der Freunde der Deutschen Kinemathek für die Präsentation unabhängigen Kinos im deutschsprachigen Raum verdeutlichen soll. Einer der dort vorgestellten Filme ist Nettie Wilds Dokumentation „A Place Called Chiapas“ – und der kanadischen Regisseurin kann man wahrlich nicht vorwerfen, im Elfenbeinturm zu sitzen: Sie stellt sich mit ihrem Filmteam auch schon einmal schützend vor die rebellischen Dorfbewohner aus der Region im Südosten Mexikos, wenn sie Übergriffe durch die regierungstreue paramilitärische Gruppierung „Paz y Justicia“ befürchtet. Überhaupt macht Wild aus ihrer Sympathie für die Zapatista-Rebellen und deren Kampf gegen Regierung und Großgrundbesitzer keinen Hehl, selbst wenn der Film die Selbstinszenierungen des legendären Subcomandante Marcos – der sich schon gern einmal für das französische Frauenmagazin „Marie-Claire“ fotografieren lässt, oder wie ein Westernheld vermummt und schwer bewaffnet mit seinem Pferd vor die klickenden Kameras der internationalen Presse prescht – eher mit leisem Spott betrachtet. Auch ein groß angelegtes Treffen mit ausländischen Altkommunisten und Anarchisten, bei dem über Ziele und Perspektiven der Rebellion diskutiert werden soll, kommt Wild dann allenfalls wie ein „Postglasnost-Woodstock ohne Acid“ vor. Ihre Helden sind die einfachen Menschen zwischen den Fronten. Und für die stellt die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit den einzigen Schutz vor Übergriffen der Militärs und ihrer Verbündeten dar.
„A place called Chiapas“ (OmU), 25. 5. im Arsenal 2, 27. 5. im Arsenal 1
Der Film über die Schreibblockade: In Joel und Ethan Coens makabrem Werk „Barton Fink“ sitzt der gleichnamige Drehbuchautor (John Turturro) bar eines guten Einfalls in seinem Hotelzimmer in Hollywood und versucht, ein Script für einen Catcherfilm mit Wallace Beery zu Papier zu bringen. Überaus lakonisch erzählen die Coens vom alltäglichen Horror eines Mannes, der langsam die Nerven verliert und schließlich den netten Zimmernachbarn als Serienkiller verdächtigt. Doch was ist hier noch Realität und was bereits die Fantasie eines Autors mit überreizten Nerven?
„Barton Fink“, 24.–27. 5. im Regenbogenkino
LARS PENNING
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