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Der erste Herausforderer Arafats

Der palästinensische Politologe Abdel Sattar Kassem will der nächste palästinensische Präsident werden

Seinen Namen hatte niemand auf der Liste potenzieller Nachfolger für den palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat. Umso größer war die Überraschung, als der Politikwissenschaftler Abdel Sattar Kassem kürzlich seine Kandidatur für dieses Amt ankündigte. „Ich denke schon seit über einem Jahr über eine Kandidatur nach“, sagt Kassem. „Die Palästinensische Nationalbehörde unter Arafat ist korrupt. Ich hingegen glaube an Teamwork, Institutionen und die Rechte Einzelner. Ich würde es besser machen als Arafat.“

An Selbstbewusstsein mangelt es dem 53-Jährigen, der in den 70ern in den USA studierte und promovierte, nicht. Schon eher an der Unterstützung der Bevölkerung. Kassem ist zwar unter den Intellektuellen bekannt. Aber gegenüber Arafat müsste er in den Dörfern und kleinen Städten Palästinas einen gigantischen Bekanntheits- und Beliebtheitsvorsprung aufholen. „Ich werde jede Ecke und jedes Dorf erreichen“, ist sich der als freundlich und nachdenklich bekannte Kassem sicher.

Und so verwegen, wie sie auf den ersten Blick erscheint, ist seine Kandidatur nicht. Denn der gläubige Muslim hofft darauf, dass Hamas, der Islamische Dschihad und die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) ihre Anhänger dazu aufrufen, für ihn zu stimmen. Kassem war von Anfang an gegen die Oslo-Verträge von 1993. Auch den militanten Widerstand gegen die israelische Besatzung hält er für gerechtfertigt, solange, so Kassem, „wir unter Abkommen leiden, die auf dem Prinzip der ethnischen Säuberung beruhen“. Mit den Israelis würde er erst dann über Frieden verhandeln, wenn die Rückkehr und Entschädigung aller palästinensischen Flüchtlinge zugestanden wird. Für die Opposition sind dies attraktive Wahlversprechen.

Die Wege des Herausforderers Kassem und des Amtsinhabers Arafats kreuzten sich bereits mehrfach. Als die PLO vor den Oslo-Verträgen geheime Verhandlungen mit Israel aufnehmen wollte, bat Arafat Kassem daran mitzuwirken. Kassem lehnte ab. Seiner Meinung nach können Friedensverhandlungen mit Israel nur zum Nachteil der Palästinenser sein, wenn als Voraussetzung nicht das sofortige und vollständige Ende der Besatzung eingefordert wird.

Kurz nach dem Oslo-Abkommen veröffentlichte Kassem einen Artikel, in dem er Arafat undemokratisches Verhalten vorwarf. Unmittelbar danach wurde er vom palästinensischen Sicherheitsdienst aufgesucht, viermal angeschossen und wochenlang ohne Anklage eingesperrt.

Auch die Israelis steckten Kassem wegen seines stets friedlichen politischen Engagements für insgesamt zwei Jahre ins Gefängnis. Ebenfalls ohne Anklage. Zwei Jahrzehnte lang untersagte Israel ihm zudem Reisen ins Ausland und verhinderte damit eine internationale Karriere Kassems, der nun an den palästinensischen Universitäten Bir Zeit und Nablus lehrt. Kassem, der vier Kinder hat und mit seiner Familie in Nablus lebt, gibt auch manchen Palästinensern Rätsel auf. Er ist überzeugter Demokrat und kein Islamist, unterstützt aber Hamas und den Islamischen Dschihad. Er ist gegen das Oslo-Abkommen, lehnt aber eine Anerkennung Israels nicht rundweg ab. Kassem selbst rechnet sich dennoch „sehr gute Chancen“ aus, Arafats Nachfolger zu werden – wenn die Wahlen stattfinden und fair sind.

YASSIN MUSHARBASH

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