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Pannen in diversen West-AKWs

Die angeblich sicheren Atomreaktoren in den Industrieländern mussten in den vegangenen Monaten wieder diverse Störfälle vermelden. USA ein Highlight

BERLIN taz ■ Neue Reaktorkonzepte werden der Politik als Königsweg aus der Treibhausfalle ebenso angedient wie die Lebenszeitverlängerung alter AKWs. Derweil häufen sich auch bei Westreaktoren die Störfälle und Altersschwächen. Das durch eine Wasserstoffexplosion zerfetzte Leitungsrohr im AKW Brunsbüttel an der Elbe und der unglaubliche Durchfraß des unter 150fachem Atmosphärendruck stehenden Reaktordeckels bei dem US-Meiler Davis-Besse sind nur die Highlights einer Serie.

Das in Brunsbüttel durch Kernspaltungen entstandene und durch Nebenleitungen vagabundierende Wasserstoffgas, das sich mit Sauerstoff zu explosionsfähigem Knallgas aufkumuliert, ist kein Einzelfall. Keine zwei Monate vor der Detonation im AKW des Hamburger Betreibers HEW wurde der japanische Standort Hamaoka von einem ähnlichen Störfall heimgesucht. Die Japaner benötigten dabei weniger Glück, lag doch die betroffene Leitung deutlich weiter entfernt vom radioaktiven Reaktorkern. Reaktorsicherheitskommission, Gesellschaft für Reaktorsicherheit und TÜV Nord zerbrechen sich derweil noch immer die Köpfe, wie es genau zum Störfall in Brunsbüttel kam und was dagegen unternommen werden könnte (z.B. www.anti-atom.de/bruns02.htm).

US-Präsident George Bush wiederum dürfte sich fragen, wie sich sein aggressives Neubau- und Lebenszeit-Verlängerungsprogramm für Atommeiler mit der Mentalität des Managements von Davis-Besse verträgt. FirstEnergy, die Betreiberin des etwa 25 Jahre alten Druckwasserreaktors bei Toledo, Ohio, handelten sich mit ihrer mehr als schlampigen Qualitätssicherung ein Ereignis der Einstufung „Ines 3“ ein. Ines ist eine von der Internationalen Energieagentur in Wien erarbeitete Störfall-Skala. Tschernobyl rangiert mit Ines 7 auf der obersten Stufe, die Beinahe-Katastrophe Harrisburg (1979) erhielt Ines 5. Davis-Besse wiederum ist zusammen mit einem Brandfall von 1989 im spanischen Vandellos die höchste Einstufung im Bereich technischer Versagensfälle seit Tschernobyl.

Ursache bei Davis Besse waren Risse in Leitungen mit anschließender starker Korrossion (siehe Kasten). Mit einer großen internationalen Kampagne hat Greenpeace bereits Mitte der 90er-Jahre vor genau diesen Reaktordeckel-Schäden gewarnt. Die Fachleute des Besse-Betreibers taten bei ihrem Fund Anfang März trotzdem überrascht.

Die Liste der relativ bis gänzlich unbekannten Störfälle der jüngsten Jahre und Monate lässt sich beliebig ergänzen. Hervorzuheben wären auch ein Dampferzeuger-Heizrohrbruch mit Notkühlaktivierung im Reaktor Indian-Point bei New York und ein „Station-Blackout“-Ereignis mit Ausfall fast der gesamten Notstromversorgung in einer taiwanesischen Zentrale.

Vom 28. Februar dieses Jahres wiederum datiert ein Vorkommnis im nahe Paris gelegenen Dampierre: Durch Kurzschluss wurde ohne eigentlichen auslösenden Störfall die Notkühlung aktiviert, wobei zwecks Überdruckentlastung kurz danach ein Ventil am primären Wasserkreislauf öffnete. Das war ziemlich genau analog dem Unfallbeginn 1979 in Harrisburg, der zu einer mit Glück beherrschten Kernschmelze führte. Im Unterschied dazu konnten die Franzosen das Ventil zeitgerecht wieder schließen, der Kühlwasserverlust hielt sich in Grenzen.

Verschwiegen hat EDF bis heute, wie viel Radioaktivität durch das offene Ventil ins abgeschlossene Reaktorgebäude oder gar in die Umgebung abgeblasen wurde. Noch immer ist das Handlungsschema der Atomlobby das altbewährte: Reaktorlecks mit Informationssperren abisolieren … FRANK PAULI

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