: Am großen Fluss ist selbst die UNO machtlos
Hinrichtungen in Kongos größter Rebellenstadt Kisangani dienen als Kulisse für eine Kraftprobe zwischen Präsident Kabila und seinen Gegnern
BERLIN taz ■ Kopflose Leichen im Kongofluss, Hinrichtungen in der Stadt und eine besorgte UNO: Die Lage in Kisangani, der größten ostkongolesischen Stadt unter Kontrolle der Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie), ist explosiv. Seit der Meuterei vom 14. Mai, als eine Gruppe von Bewaffneten für einige Stunden den Radiosender Kisanganis besetzte und zur Jagd auf Ruander und Tutsi aufrief, sind unterschiedlichen Schätzungen zufolge zwischen 40 und 300 Menschen getötet worden – Opfer von Rachefeldzügen der von Ruanda unterstützten RCD-Armee.
„Wir haben 50 Tote gezählt, darunter 30 Zivilisten“, erklärte der Erzbischof von Kisangani, Laurent Monsengwo, am Montag. „Manche Leichen wurden aus dem Fluss gezogen“. Die unmittelbare Niederschlagung der Meuterei hatte nach übereinstimmenden Berichten etwa 20 Todesopfer gefordert, zumeist RCD-Polizisten, die sich gegen die RCD-Armee erhoben hatten.
Seitdem hat jedoch nach Angaben zivilgesellschaftlicher Gruppen in Kisangani eine Jagd auf Gegner der Rebellen eingesetzt. Die Gruppe Lotus veröffentlichte eine Liste von Toten und Verschwundenen. In seiner Pfingstbotschaft sagte Erzbischof Monsengwo, Kisangani sei „Schauplatz von Tötungen und summarischen Hinrichtungen, Vergewaltigungen und Plünderungen“. Die RCD selbst spricht lieber von andauernden Kämpfen zwischen ihrer Armee und den Meuterern außerhalb der Urwaldstadt am Oberlauf des Kongoflusses. „Es hat Tote auf beiden Seiten gegeben“, sagte RCD-Sprecher Lola Kisanga. „Es ist wahr, dass man jeden Tag neue Leichen im Fluss findet oder im Busch am Stadtrand.“
Die UNO versucht nun, die Vorgänge zu untersuchen. Sie ist besorgt, weil Kisangani laut dem geltenden Kongo-Friedensplan demilitarisiert sein soll. Nur UN-Blauhelme und RCD-Polizei sollen eigentlich in der Stadt patrouillieren. Aber wegen ausbleibender Fortschritte beim Kongo-Friedensprozess insgesamt hat die RCD-Armee Kisangani noch nicht verlassen. Sie soll jetzt auch Unterstützung von Soldaten aus Ruanda bekommen haben. Uganda wirft Ruanda vor, von Kisangani aus in Gebiete vorzudringen, die von Gruppen kontrolliert werden, die mit Uganda verbündet sind. Ruanda und die RCD wollten so die Schlappe ausbügeln, die sie im April erlitten, als Kongos Präsident Joseph Kabila beim „innerkongolesischen Dialog“ in Südafrika ein Separatabkommen mit Kongos Uganda-treuer Rebellenbewegung MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) schloss.
Aus Sicht Kabilas war die Meuterei in Kisangani eine Inszenierung Ruandas, um RCD-Gegner liquidieren zu können. Die RCD und ihre Verbündeten wiederum halten die Meuterei für eine Inszenierung Kabilas, um Kisangani zu erobern. Als politische Organisation der Meuterer ist inzwischen eine RCD-Abspaltung namens „RCD-Original“ in Erscheinung getreten, geleitet von Felix Mumbere, einem ehemaligen RCD-Angehörigen aus der Stadt Bukavu. Nach Angaben aus Oppositionskreisen brachten sich Mumbere und seine Freunde bereits beim innerkongolesischen Dialog als RCD-Dissidenten ins Spiel und schlossen sich in dieser Funktion dem Kabila-MLC-Separatabkommen an. Kabila habe sie nun bewusst in Aktion treten lassen, um sich ihre Loyalität zu sichern.
Denn das Abkommen des kongolesischen Präsidenten mit der MLC bricht gerade wieder auseinander. Die MLC hat sich diese Woche aus Gesprächen über seine Umsetzung zurückgezogen. Sie wirft Kabila vor, das Abkommen umzuschreiben, um so wenig Macht wie möglich an den als Premierminister vorgesehenen MLC-Führer Jean-Pierre Bemba abgeben zu müssen.
DOMINIC JOHNSON
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