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Jubel für „Held von Mogadischu“

Exstaatsminister Wischnewski macht gute Stimmung bei der Kölner SPD. Man will Entschuldigungsanzeige schalten

KÖLN taz ■ Absolute Stille herrscht, als der gebrechliche alte Mann zum Mikrofon schreitet. Und dann steht er da auf dem Parteitag der Kölner SPD am Dienstag wie ein Fels in der Brandung: Hans-Jürgen Wischnewski, inzwischen 79 Jahre alt, gesundheitlich angeschlagen – die letzte unbeschädigte Galionsfigur. „Das, was einige wenige der Partei hier in Köln angetan haben, ist das Schlimmste, was ich in über 50 Jahren politischer Tätigkeit je erlebt habe“, ruft der „Held von Mogadischu“. Aber, so fügt der Exstaatsminister an: „Wir müssen nicht wegen der Verfehlungen einiger weniger nun alle in Sack und Asche gehen.“

Wischnewskis Worte wirken wie eine Erlösung. Minutenlanger, donnernder Applaus schlägt dem Altgenossen entgegen. Und der macht auch einen praktischen Vorschlag: Per Zeitungsanzeige sollten sich die Kölner Sozialdemokraten bei ihren Mitgliedern und der Bevölkerung für den Spendenskandal entschuldigen. Finanziert werden solle die Annonce aus Spenden – diesmal legal. Die Genossen sind begeistert.

Auch auf dem Gesicht von Renate Canisius zieht ein Lächeln auf. Die Kölner Bürgermeisterin sitzt etwas abseits. Sie steht im Verdacht, fingierte Spendenquittungen angenommen zu haben. Gegen sie läuft ein Parteiordnungsverfahren, ihre Mitgliedsrechte hat der SPD-Landesvorstand suspendiert. „Eigentlich dürfte ich nicht hier sein“, sagt sie resigniert zur taz. Sie ist trotzdem gekommen – an den Statuten der Partei vorbei. Die ebenfalls beschuldigte Annelie Kever-Henseler darf sogar mitstimmen. Das hat sich die NRW-Landtagsabgeordnete vor Gericht erstritten. Sie wirft den Landesoberen vor, die Schiedsverfahren zu verschleppen. Und mit dieser Ansicht steht sie nicht allein.

So hat es Michael Groschek nicht leicht. Der Generalsekretär der NRW-SPD wird sogar mit einzelnen Buhrufen und Pfiffen empfangen. 500.000 Euro Strafe müsse die Partei an den Bundestag zahlen, teilt er mit. Deswegen würden jetzt die Korrumpels Norbert Rüther und Manfred Biciste auf Schadenersatz verklagt. Groschek verteidigt auch die Parteiverfahren, die auf rechtsstaatlichen Prinzipien beruhten und deshalb Zeit bräuchten. Doch damit kann er nicht überzeugen. „Das muss schneller gehen“, wettert der Kölner SPD-Chef Jochen Ott. Auch die Forderung nach „radikalen Säuberungen“ seitens der Landespartei sei wenig hilfreich gewesen. Ott: „Das ist nicht mein Verständnis von sozialer Demokratie.“ PASCAL BEUCKER/

FRANK ÜBERALL

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