Traditioneller Flüchter

Heimspiel eines nicht mehr ganz so jungen Crooners: Der Pudel-Klub-Mitbegründer und Entertainer Rocko Schamoni steht mit seiner Band „Jogging Mystique“ am Sonntag in Markthalle auf der Bühne

Soulsänger ohne Schmelz in der Stimme

Interview: ULRICH SEITER

1988 gründete er zusammen mit Kaiser Walter und Schorsch Kamerun den Ur-Pudel-Klub in der Hamburger Schanzenstraße. Nach harten Jahren im Showgeschäft nutzt der Ex-Punk, Telefon-Terrorist (Studio Braun), Schriftsteller und Musiker Rocko Schamoni die Gunst des Majorplattenvertrags: Für das neue Album Der schwere Duft von Anarchie leistet er sich erstmals echte Bläser und Streicher. Für einen echten Soulsänger fehlt ihm zwar der Schmelz in der Stimme, aber verliebte Computer, elegante Disco-Grooves und die honig-süßen Impressionen eines schmierigen Entertainers sorgen für den Rocko-eigenen Unterhaltungswert.

taz hamburg: Die Gier nach Geld ist ein zentrales Thema deiner neuen Platte. Warum verdienst du weniger als alte Weggefährten wie die Toten Hosen?

Rocko Schamoni: Ich bin ein traditioneller Flüchter. Immer dann, wenn Leute zu mir sagen, das sei der Weg, das sei die Richtung, geht bei mir alles zu, und ich muss sofort eine andere Richtung einschlagen. Wenn du erfolgreich sein möchtest, darfst du die Rennbahn, auf der du läufst, nicht mehr verlassen. Die Hosen haben sich sehr früh eine große, breite Bahn gesucht.

Würdest du einen Titel wie „Du wählst CDU, darum mach ich Schluß“ heute noch schreiben?

Im Grunde habe ich das mit der „Der schwere Duft von Anarchie“ wieder gemacht. Der Song hat gar nichts mit Anarchie zu tun, sondern mit der Vermarktung eines ehemals inhaltsvollen Slogans als Produkt, wie Che Guevara oder Prada-Meinhoff. Darum ging es auch bei „Du wählst CDU“. Ich habe mich an dem Begriff mehr abgearbeitet, als an einem Inhalt, der dahinter steht. Quasi in der Tradition, wie DAF „Tanz den Mussolini“ benutzt haben. Was ja nicht politisch gemeint war. Es ging eher darum, vakante Namen und Begriffe zu benutzen und damit spielerisch umzugehen.

Was hat es mit der Fortsetzung von „Diskoteer“ auf sich?

Ich finde die Idee gut, einen Superhelden zu haben, der auf quasi allen Platten auftaucht, so Terminator 1-2-3-4-mäßig, und eine Geschichte weiterspinnt. Kiss haben damals Unmasked rausgebracht, deshalb wird der nächste Teil von „Diskoteer“ die Demaskierung des Protagonisten sein.

Du hattest deinen Körper vor einiger Zeit als Werbefläche offeriert. Gab es Interessenten?

Ich hatte ein Angebot von Nil, sie wollten eine bundesweite Plakatierung. Meine Bedingung war, den Schriftzug, allerdings mit Edding gefaked, groß auf die Brust tätowiert zu bekommen. Kurz vor Vertragsabschluss hat Nil zurückgezogen, weil der Konsument es falsch verstehen könnte: „Sagen sie mal, Herr Schamoni, sie tragen doch ihre Haut zu Markte.“ Aber genau darum, ging es doch. Mittlerweile hat mich die Zeit längst überholt. Heute lassen sich die Leute Gauloises auf den Arm tätowieren.

Zusammen mit Costa Cordalis wurdest du mal eingeladen, den Schlagermove zu moderieren.

Niemals im Leben hätte ich das gemacht. Wenn bei meiner Musik noch jemand Schlager denkt, dann ist es von mir nicht so gemeint – höchstens als Anlehnung an das Frühwerk von Manfred Krug. Vielleicht kommt es aber auch daher, dass ich als Soulsänger nicht so funktioniere, wie ich gerne würde.

Warum coverst du dann Falco – und nicht Krug?

Mein Problem mit Manfred Krug ist, dass er sich inzwischen mit seinem Telekom-Scheiß so in die Öffentlichkeit geschmiert hat.

Der Crooner-Sound der 50er erlebt durch die Erfolge von Robbie Williams oder Louie Austen eine Renaissance. Findest du dich darin wieder?

„Hoping“ von Louie Austen ist ein wunderbarer Discohit. Der Rest der Platte funktioniert aber nur zum Teil, da die Elektronik dem Gesang zu oft in die Quere kommt. Die Idee finde ich aber ganz toll – so einen alten Wiener Salonsänger zu nehmen. Robbie Williams ist ein junger Crooner. Es ist natürlich etwas platt von ihm, zehn der größten Jazzstandards zu nehmen und sie unter den komplett gleichen Bedingungen von damals nochmals aufzunehmen. Eigentlich geht es aber nur darum, dass der Typ richtig gut angeben kann. Zu dieser Schule von Angebern gehört auch Adriano Celentano, und ich zähle mich auch dazu.

Sonntag, 21 Uhr, Markthalle