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Eins mit dem Busch und den Tieren

Wenn die ARD vorurteilsfreie Filme macht: Die Dreharbeiten zum Afrika-Zweiteiler mit Heiner Lauterbach als Bischof. Im Meer der Wellblechhütten gelangen die Schauspieler zu bahnbrechenden Erkenntnissen über die „eisenharte Disziplin“ der Afrikaner. Nur Desmond Tutu spielt leider nicht mit

aus Kapstadt ANN KATHRIN SOST

Sengende Hitze, wilde Tiere, die sich an brackigen Flüssen tummeln. So sollte Südafrika sein. Und jetzt das. Kalt und feucht ist es im Keller des Weingutes „Meerlust“ bei Kapstadt, und Heiner Lauterbach, Hannelore Elsner und Julia Stemberger klappern die Zähne.

So hatten sie sich das wilde Land am Kap nicht vorgestellt, aber das passt zu dem Film, an dem sie gerade arbeiten: ein ARD-Zweiteiler, der aufräumen soll mit Klischees. „Eine Liebe in Afrika“ heißt er – klingt ungefähr so einfallsreich wie „Kap der Guten Hoffnung“, einer der letzten öffentlich-rechtlichen Knüller vom unbekannten Kontinent. Aber wir wollen ja vorurteilsfrei sein.

Wie auch der Film, so lässt es zumindest die ARD verlauten. Erstmals im Ersten, heißt es stolz in der Presseabteilung, spielen aktuelle Probleme Südafrikas die Hauptrolle – Aids, Armut, soziale Konflikte. Der Trailer freilich, der fröstelnden Journalisten zwischen Weinfässern voller Pinotage und Cabernet Sauvignon präsentiert wird, kommt eher rosamundepilcheresk daher: schmachtende Blicke, verzweifelte Küsse, ein bisschen Action, dazu herzzerreißende Musik. „Powered by emotion“, bemerkt der Berliner Schauspieler Michael Rehberg folgerichtig. Doch „dieser Film wird kein Süßstoffmelodram“ verkündet Produzent Nico Hofmann („Der Tunnel“). Regisseur und Kameramann Xaver Schwarzenberger nickt nachdrücklich.

Und das ist die Geschichte: Eine junge Frau, gespielt von Julia Stemberger, und ihr Verlobter werden in Südafrika Opfer eines Überfalls, der den Liebsten gelähmt zurücklässt. Was macht die arme Frau? Bleibt im Herz der Finsternis und kämpft gegen Ungerechtigkeit. Dabei hilft ihr ein schwer attraktiver anglikanischer Bischof. Leider nicht Desmond Tutu, sondern Heiner Lauterbach. Der sorgt vermutlich für die nötige Quote, denn das 5-Millionen-Euro-Projekt ist ein Risiko. Sagt zumindest Produzent Hofmann: „Das ist schließlich ein politischer Film.“ In der Tat gewagt, kennt der gemeine ARD-Zuschauer das Kap doch sonst nur, weil Karl Moik da mal gesungen hat. Ein Großteil wird auch noch in Kapstadts Township Khayelitsha gedreht, romantische Bilder gibt das wohl nicht.

Die Dreharbeiten im Meer der Wellblechhütten haben aber zumindest bei der Crew schon einen bleibenden Eindruck hinterlassen. „Plötzlich hat man Interesse an Zuständen, die einem völlig wurscht sind zu Hause in München“, sagt Regisseur Schwarzenberger, als hätte er vorher noch nie etwas von Afrika gehört. Und Julia Stemberger wird ganz gutmenschlich zumute. „Ich bekomme hier wirklich das Bedürfnis, helfen zu wollen“, sagt sie. Aber wie? Spenden seien ja oft sinnlos, „das Geld wird hier ja immer gleich abgezweigt.“ Wegen diesem „Brotherhood-Ding“, sagt sie.

„Dass sie Hunger leiden, kann man nicht sehen“

Doch Sorgen muss man sich um die Südafrikaner ohnehin nicht machen, glaubt man Heiner Lauterbach. Die Leute in den Townships seien sauberer und besser angezogen, als er dachte, und „dass sie Hunger leiden, kann man auch nicht so sehen“. Tolle Leistung, sagt uns ein Blick in die Statistik, leben doch ein Viertel der Südafrikaner von weniger als 10 Euro im Monat. Wie machen die das nur, diese Afrikaner? Eisenharte Disziplin, womöglich. Denn auch die ist Lauterbach aufgefallen – daran könnten sich deutsche Kids gern öfter mal ein Beispiel nehmen, findet er. Hannelore Elsner sagt dazu lieber gar nichts, sie ist gerade angekommen und geht erst einmal eine rauchen. Bernhard Schir ist bereits Afrikaprofi. Das zweite Mal ist er schon im Lande und fühlt sich mittlerweile richtig wohl in den Townships. Nur eins kann er nicht verstehen: „Dass wir diese Menschen, die so eins sind mit dem Busch und den Tieren, die so etwas Schönes haben – dass wir die zwingen wollen, mit Computern umzugehen.“

Gladstone Mali wäre ziemlich böse, wenn Schir ihm seinen Computer wegnehmen würde. Der 35-jährige Südafrikaner leitet in Khayelitsha eine Filmproduktion, und das sehr erfolgreich, denn ausländische Filmemacher brauchen seine Hilfe im Labyrinth der Townships. Für die ARD hat er Drehorte ausgesucht. Und dabei viel Geld verdient, das er in Ausbildungsprogramme investiert.

Gerade jungen Südafrikanern reicht es schon lange nicht mehr, für Touristen vor einer Rundhütte ums Feuer zu tanzen: Statt Baströckchen wollen sie lieber Brioni tragen; statt mit Pfeil und Bogen durch die Wildnis zu pirschen, sitzen sie lieber in klimatisierten BMWs. Ein rätselhaftes Land, so scheint es, für deutsche Filmstars und -sternchen. Im November soll „Eine Liebe in Afrika“ gesendet werden. Dann soll Schluss sein mit Afrikaklischees, wünscht sich die ARD. Viel Zeit, auch in den Köpfen der Schauspieler noch mal gründlich durchzufegen.

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