Punkte für Milošević

Vor dem UN-Tribunal führt Jugoslawiens Expräsident den Berater des Präsidenten des Kosovo, Adnan Merovci, vor

DEN HAAG taz ■ Es macht ihm Freude, Zeugen in die Enge zu treiben. Slobodan Milošević, Angeklagter vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag, ist dies gestern gelungen. Da sich der Expräsident Jugoslawiens selbst verteidigen darf, ist es ihm möglich, selbst zum Ankläger zu werden. Milošević sind manche der albanischen Zeugen aus dem Kosovo nicht gewachsen.

Auch der Berater und Sekretär des Kosovopräsidenten Ibrahim Rugova nicht. Milošević gelang es, die Position des Zeugen Adnan Merovci zu erschüttern. Dabei geht es um ein Interview, das er Ende März 1999 serbischen Medien gegeben hat. Damals soll Merovci, nach Aussage Milošević’, erklärt haben, dass die Albaner vor den Nato-Bomben und nicht der Repression serbischer Sicherheitskräfte fliehen.

Ob die Episode dem Angeklagten helfen wird, seine Darstellung der Ereignisse durchzusetzen, bleibt fraglich. Denn die historischen Tatsachen sind andere. Viele Zeugen haben belegt, mit welchen repressiven Methoden serbische Sicherheitskräfte damals vorgegangen sind, um über 900.000 Kosovoalbaner zu vertreiben. Doch die Befragung Merovcis zeigte auch, auf welch wackligem Terrain sich mancher Kosovoalbaner befindet. Bei der weiteren Befragung stellte sich auch heraus, daß es Rugova nach Beginn der Nato-Angriffe vor allem darum ging, die eigene Haut zu retten. Merovci blieb zwar dabei, dass das Statement Rugovas nach dem Treffen mit Milošević am 4. Mai 1999 in Belgrad erzwungen war. Damals hatte Rugova die Nato aufgefordert, ihre Bombardements einzustellen. Doch Merovci bestätigte implizit, worum es Rugova vor allem ging: um eine Ausreise nach Italien. Dieser Zusammenhang hat eine innenpolitische Brisanz im Kosovo. Die Aussagen Merovcis werden die Stellung des jetzigen Präsidenten nicht gerade stärken. Ohnehin dient die Tendenz der kosovoalbanischen Zeugen, sich als Opfer serbischer Repression darzustellen und die Geschichte nach ihren Legenden zurechtzubiegen, nicht unbedingt der Wahrheitsfindung. Dass Merovci leugnete, dass es von Seiten der UÇK zu Drohungen gegenüber Rugova und Mitgliedern seiner Partei, der Demokratischen Liga, gekommen sei, gehört zu dieser politischen Legendenbildung. Milošević’ Aussagen an diesem Punkt erscheinen glaubwürdiger. Es lässt sich belegen, dass einige Mitglieder der LDK von UÇK-Kämpfern ermordet worden sind. Es wird noch lange dauern, bis alle Vorgänge aufgeklärt sind. Die Aussagen der Zeugen vor Gericht tragen dazu bei. Dem ehemaligen Chefredakteur der Zeitung Koha Ditore, Baton Haxhiu, gelang es, ein Schlaglicht auf die Verantwortlichkeiten der serbischen Seite zu werfen. So wurde klar, dass der ehemalige Geheimdienstchef Stanisić im Auftrag Milošević’ versuchte, politische Lösungen zu suchen. Von vielen Albanern vorgeschlagene friedliche Angebote jedoch lehnte Belgrad ab. „Deshalb hat sich die Lage radikalisiert.“ Und dafür ist nur einer letztlich verantwortlich: Milošević. ERICH RATHFELDER