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Vorgedruckte Strafanzeigen

Polizei-Uni: Kesseltreiben gegen interne Kritiker erreicht neues Stadium: Studierende KommissarsanwärterInnen sollen zu Strafanzeigen animiert werden

Die Turbulenzen an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung – Fachbereich Polizei (FHÖV/P) nehmen kein Ende und führen zu immer neuen Eskapaden. Mit vorgefertigten Strafanzeigen versuchen Verantwortliche an der Polizei-Uni StundentInnen dazu zu bewegen, KritikerInnen der Fachhochschule zu kriminalisieren.

Auslöser des Krachs sind Veröffentlichungen – unter anderem in der taz –, in der sich ExpertInnen über Ausbildungsdefizite an der Hochschule, Klausurmanipulationen und die Aufstockung der StundentInnenzahl um das Fünffache unter dem Motto „Masse statt Klasse“ beschwerten. „Man führt den Müll mit allen Mitteln zum Examen, um ihn in die Uniform zu stecken“, so ein Insider zur taz.

„Als Student der FHÖV/P werde ich mit dieser Äußerung als Müll bezeichnet. Ich fühle mich dadurch in meiner Ehre verletzt“, heißt es in dem Vordruck zur Strafanzeige wegen Beleidigung, auf der nur noch Absender und Unterschrift einzutragen sind. „Die Ungewissheit, ob eben dieser Professor, für den ich ‚Müll‘ bin, wöchentlich vor mir steht und mich unterrichtet, stellt für mich einen unhaltbaren Zustand dar“, heißt es weiter. „Von so einer Person unterrichtet zu werden, wäre eine besondere Kränkung meines Ehrgefühls.“

Ob StundentInnen inzwischen derartige Anzeigen unterschrieben und ans Dezernat Interne Ermittlung gesandt haben, war am Wochenende nicht zu erfahren. Strafrechtliche Relevanz wird dem Strafantrag von JuristInnen nicht eingeräumt. Denn die gemachte Äußerung bezieht sich auf die Struktur der künftige StundentInnenschaft, wenn ab 1. Oktober 280 KommissarsanwärterInnen aufgenommen werden sollen und jedeR BewerbeIn –auch in anderen Bundesländern abgelehnte – mangels Auswahl genommen wird.

„Hier sollen Studierende instrumentalisiert werden, um die Kritiker mundtot zu machen und von den eigentlichen Missständen abzulenken,“ kritisiert der Ex-Hochschulsprecher und Kritische Polizist Thomas Wüppesahl das „Kesseltreiben“.

Auch in der Polizeiführung und in der Innenbehörde reagiert man unter vorgehaltener Hand auf die Vorgänge mit Entsetzen und will die Einrichtung künftig mehr unter die eigenen Fittiche nehmen. Erst vor einer Woche kursierten Unterschriftenlisten unter StundentInnen und DozentInnen, in der zum Schulterschluss aufgerufen wurde. Damit sollte eine pauschale Versicherung abgegeben werden, dass es in der Vergangenheit keinerlei Prüfungsmanilulationen und Kungeleien über Inhalte zwischen Studierenden und Lehrkräften gegeben habe. Dies wurde durch die im April auf Weisung von Innenstaatsrat Walter Wellinghausen (SPD) angeordnete Klausurwiederholung widerlegt worden war. KAI VON APPEN

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