„Geld für Russland nur mit Bedingungen“

Der belgische Grüne Staes will die Wirtschaftshilfe für Russland an die Einhaltung der Menschenrechte binden

taz: Im April hat das Europaparlament in einer Resolution erneut auf die Lage in Tschetschenien aufmerksam gemacht. Es steht ziemlich allein damit.

Bart Staes: Nach dem 11. September ist der zweite Krieg in Tschetschenien von den Bildschirmen verschwunden. Bei unserer letzten Moskaureise trafen wir im April mit dem Chef des FSB – des ehemaligen KGB – zusammen, er erzählte, dass die tschetschenischen Widerstandskämpfer alle von Bin Laden bezahlt würden.

Wie wollen Sie die Russen dazu bringen, ihre Haltung zu ändern?

Ich werde zum EU-Russland-Gipfel einen offenen Brief an alle Staatschefs, Außenminister, an Solana und Patten schicken. Die EU hat seit Beginn der 90er-Jahre 2,5 Milliarden Euro an technischer Hilfe für Russland aufgewendet. Seit Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges haben wir 65 Millionen an humanitärer Hilfe in der Region, aber auch für die Betreuung von Flüchtlingen in anderen Regionen Russlands geleistet. Natürlich ist es richtig, wenn die EU und Putin am Mittwoch über freien Handel, über Wirtschaftsbeziehungen und Energiebilanzen sprechen. Wir können nicht einfach Geld geben und die Augen schließen. Wir müssen die Hilfe mit Bedingungen verknüpfen.

Russland kann seit dem 11. September wählen, ob es sich diesem moralischen Urteil der EU unterwerfen oder lieber enger mit den USA zusammenarbeiten will.

Ich sehe diese Gefahr. Andererseits ist ein großer Teil von Russland europäisch. Nach der Erweiterung werden wir Nachbarn. Es ist im beiderseitigen Interesse, eine gute Beziehung zu haben.

Entwicklungskommissar Nielson sieht das genau wie Sie. Aber wie steht es mit Außenkommissar Patten?

Pattens Apparat ist extrem hilfsbereit. Seine persönlichen Berater kommen zu den Parlamentstreffen, einige sind im April mit uns nach Moskau gereist. In der EU-Vertretung der Kommission in Moskau arbeiten mehr als 120 Mitarbeiter. Es ist die größte EU-Mission in der Welt.

Ihre Delegation plant eine Tschetschenien-Reise. Wieso glauben Sie, es würden Ihnen – im Unterschied zum Roten Kreuz – Türen geöffnet?

Der Geheimdienstchef hat nicht nein zu der Reise gesagt. Aber eins ist klar: Ich werde nur reisen, wenn ich auch die Kehrseite der Medaille zu Gesicht bekomme. Nur wenn ich mit Leuten von Präsident Maschadow sprechen kann, macht die Reise für das Europaparlament Sinn.

Energiekommissarin Loyola de Palacio will in Moskau vor allem über Gas und Öl reden. Sollten nicht zuerst die politischen Fragen geklärt sein?

Ökonomische und politische Gespräche sind keine Alternative. Beides gehört zusammen. Deshalb organisieren wir am 26. Juni hier in Brüssel ein Treffen mit Duma-Vertretern, wo es hauptsächlich um die Verseuchung der Arktis mit Atommüll gehen wird. Wenn Sie die Erfolgsgeschichte der EU betrachten, ist klar, dass sie genau durch die Mischung aus wirtschaftlichen Interessen und Politik zustande kam. INTERVIEW: DANIELA WEINGÄRTNER