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village voiceSteppenwolf und Rocker mit Herz: Jan Josef Liefers macht mit „Oblivion“ einen Ausflug ins Musikgeschäft

Waidwunde Balladen und internationales Schmalz

Es ist nur ein paar Jahre her, da gestand der gerade mit „Knocking on Heaven’s Door“ zu Ruhm gelangte Jan Josef Liefers, „genug Blödsinn gemacht und Überflüssiges getan“ zu haben. Das allerdings bezog sich auf sein Verhältnis zum anderen Geschlecht, nicht auf irgendwelche künstlerischen Tätigkeiten. Nur wenig später beglückte Liefers die Öffentlichkeit mit seiner ersten Regiearbeit „Jack’s Baby“, einem veritablen Egotrip, in dem er einen beschäftigungslosen Rockmusiker darstellte und den Titelsong intonierte.

Man war also gewarnt und nun ist es tatsächlich so weit: Liefers hat sein Debütalbum herausgebracht. „Oblivion“ drängelt sich mit Macht in den Mainstream. Die von der Publicity-Maschinerie in Umlauf gebrachte Legende erzählt von einem Dresdner Bettpfosten, aus dem sich der kleine Jan Josef selbst eine Gitarre basteln musste und Beatles-Songs übte, die in der DDR nicht gern gehört waren. Zwischenzeitlich zwar geriet seine quasi im Untergrund gestählte „musikalische Leidenschaft“ (Plattenfirmeninformation) in Vergessenheit, aber für den nun geplanten Aufstieg zum Weltniveau hat sich der Musikant Liefers das „Rock ’n’ Roll-Kürzel“ (noch mal Info) „J. J.“ zugelegt. Das ginge im englischsprachigen Ausland leichter von den Lippen als Jan Josef.

Solch weltumfassender Anspruch wird von der Tatsache unterstrichen, dass man sich einen Song von Guy Chambers hat verfassen lassen, der sonst Robbie Williams die Hits auf den Leib schreibt. Auch der Rest des Albums atmet Internationalität, hat ihn Liefers doch zusammen mit einem Münchner Musiker namens Tico Zamora komponiert, der immerhin einen US-amerikanischen Pass sein Eigen nennt. Und: Aufgenommen wurde in Hannover, der Stadt der letzten Weltausstellung.

Dort residieren die Peppermint Park Studios, in denen Jens Krause, Stammproduzent von Fury in the Slaughterhouse „Oblivion“ einen selten staatstragenden, amtlich abgesicherten Rocksound verpasste, wie er auf dem ganzen Planeten noch vor zwei, drei Jahren die Charts verstopfte.

Das potenzielle Publikum dürfte von Liefers’ Lautmalereien eh nichts anderes erwartet haben. So wie er auf der Leinwand vorzugsweise den wilden Mann und Steppenwolf gibt, stilisiert er sich hier zum Rocker mit rauer Schale und sentimentalem Herz: Mal ist er „On the Way“, mal sorgt er sich um das „Heart of Mine“ und eh ist klar: „Everybody Wants to be Alone“. Solche Klischees werden recycelt in pathetischen Uptempo-Nummern mit einem unverhohlenen Hang zum Hymnenhaften und in waidwunden Balladen. Unter denen befindet sich auch eine unnachahmlich triefige Neueinspielung von „Jack’s Baby“ und zum Abschluss wird mit „Walk on Water“ eine fast noch schmalzigere Schnulze bei vollem Bewusstsein in Streichern ersäuft.

Immerhin muss man zugeben, dass es allzu leicht hätte noch schlimmer kommen können und Liefers wenigstens einen Ton halten kann im Gegensatz zum Kollegen Uwe Ochsenknecht. Der hatte sich bei seinem Ausflug ins Musikgeschäft dereinst folgerichtig auf bedrohlich schwelenden Sprechgesang beschränkt. So fragt man sich nun auf ein Neues, was schlimmer ist: singende Schauspieler oder schauspielernde Sänger? Und antwortet seufzend: Meistens nimmt sich das nicht viel. THOMAS WINKLER

J. J. Liefers: „Oblivion“ (EMI)

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