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Kulturell am Ende

Bürgerschaft streitet über Zuwanderung, Integration und die Abschaffung der Ausländerbeauftragten

So deutlich war es bisher noch nie ausgesprochen worden. Die Zuwanderungspolitik der Bundesregierung führe dazu, „dass es in 50 Jahren die deutsche Kultur nicht mehr gibt“, behauptete Dirk Nockemann (Schill-Partei) gestern in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft. Sein Fraktionskollege Frank-Michael Bauer hatte es noch eiliger mit Untergangsvisionen: „Wem sollen unsere Lehrer in 20 Jahren Goethe und Schiller beibringen, oder werden die deutschen Schüler den Koran lernen müssen?“

Und damit es keinen Zweifel gibt, stellte Nockemann auch noch klar: „Wir wollen kein Brückenkopf für fremde Kulturen sein.“ Äußerungen, die bei SPD und GAL für blankes Entsetzen sorgten. Michael Neumann (SPD) forderte Bürgermeister Ole von Beust (CDU) auf, sich von Nockemann, beruflich Büroleiter von Innensenator Ronald Schill, zu distanzieren. Was der nicht tat, weshalb SPD-Fraktionschef ihn frontal anging: Der Bürgermeister lade „die Völker der Welt zu Olympia nach Hamburg ein, lässt Schill & Co aber die Drecksarbeit für die niederen Instinkte machen“, polterte Grund.

Sachlicher hingegen verteidigte Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) die Senatsentscheidung, die Ausländerbeauftragte Ursula Neumann zu entlassen und stattdessen einen Integrationsbeirat einzurichten. Man dürfe eben nicht „schöne Worte wie Multikulturalität verwechseln mit der notwendigen Einpassung in unser Wirtschafts- und Sozialsystem“, so die Senatorin. Was die Opposition nicht zu beruhigen vermochte: „Sie fürchten den kritischen Sachverstand der unabhängigen Ausländerbeauftragten“, vermutete die gebürtige Italierin Luisa Fiedler (SPD), und ihr Fraktionschef Grund kam zu dem Schluss: „Sie wollen keine Integration, sondern Assimilation.“ Was Schills Fraktionskollege Bauer unumwunden bestätigte: „Wir dürfen keine Parallelgesellschaften zulassen. Minderheiten müssen in Mehrheiten aufgehen.“ Deutlicher, in der Tat, wurde es noch nie ausgesprochen. Und es wäre auch nicht nötig gewesen. SVEN-MICHAEL VEIT

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