: Eine Grenzgängerin in Aktion
Die serbische Feministin Dubravka Djurić will mit einer Frauenkarawane zur Versöhnung in Exjugoslawien beitragen
Sie tut, was sie immer getan hat: bis an die Grenzen gehen und diese dann überschreiten. Dubravka Djurić, serbische Feministin aus Belgrad, sagt von sich selbst: „Ich bin eine individuelle Anarchistin und stets kritisch gegenüber allen gesellschaftlichen Erscheinungen und Formationen.“
Seit vier Tagen ist sie wieder in ihre Lieblingsrolle als „Grenzgängerin“ geschlüpft. Mit einem Dutzend Frauen fährt Dubravka Djurić durch die Länder des ehemaligen Jugoslawien. Damit will die „Frauenkarawane“ nach dem Ende von Krieg und Vertreibung einen Beitrag zur Verständigung und Versöhnung leisten.
Die „Pilgerreise“ führt auch nach Priština. Für Dubravka Djurić wird dies bereits der zweite Besuch des Kosovo sein, der erste fand vor knapp zwei Monaten statt. „Das war für mich pure Balkan-Exotik, ich war fasziniert. In jeder einzelnen persönlichen Geschichte spiegelte sich die schreckliche, jüngste Vergangenheit wieder. Die Albanerinnen waren dabei offen, und das trotz allem, was passiert ist“, sagt sie.
Alternative Foren zu schaffen und besonders Frauen die Möglichkeit zu geben, „in der Gesellschaft sichtbar zu werden“, ist für Dubravka Djurić Berufung. Die 41-Jährige, die einen Magisterabschluss in vergleichender Literaturwissenschaft hat und lange als Schriftstellerin und Literaturkritikerin arbeitete, gründete 1994 mit anderen Frauen die Zeitschrift Pro Femina. Das Ziel der Vierteljahresschrift, die bis heute existiert, aber seit dem Ende der Nato-Angriffe auf Jugoslawien nur zweimal erscheinen konnte, ist ein doppeltes: jungen Nachwuchsschriftstellern die Möglichkeit geben, sich bekannt zu machen, und den Austausch zwischen den Autoren und Autorinnen aus allen Teilen des früheren Jugoslawien pflegen. „Wir legen damit unsere vorkommunistischen Wurzeln frei und versuchen zu dem Punkt zurückzukehren, als die Literatur noch nicht Bestandteil des Nationalismus war.“
Neben ihrer Herausgebertätigkeit, die wegen finanzieller Probleme unsicherer denn je ist, engagiert sich Dubravka Djurić auch im Belgrader Center of Woman Studies. Initialzündung für die Gründung Anfang der 90er-Jahre war der Krieg und der Protest dagegen sowie gegen die Rekonstruktion der bürgerlichen Gesellschaft. „Eine patriarchalische Gesellschaft, in der Frauen marginalisiert und mit dem Argument, die Nation sei gefährdet, auf eine Reproduktionsrolle beschränkt wurden“, sagt Dubravka Djurić.
In diesem Kontext blieb auch die Auseinandersetzung mit dem Feminismus westlicher Provenienz nicht aus. Mit interessanten Ergebnissen. „Wir fühlten uns von den westlichen Frauen kolonisiert, sie diskutieren und beschreiben unsere Probleme, und ich denke dabei immer, dass wir gutes Material darstellen, auf das sie ihre Theorien anwenden. Doch die Anwendung auf unser Leben, unsere Kultur, diese Aufgabe müssen wir hier selbst erledigen“, sagt Dubravka Djurić.
Die Mühen waren nicht umsonst. Schon wächst in Serbien theoretisch gut geschulter und deutlich vernehmbarer „feministischer Nachwuchs“ heran – und das, obwohl die Gesellschaft immer noch weitgehend von Männern dominiert ist. So hat auch die Frauenkarawane neben dem Versöhnungsaspekt noch eine andere Bedeutung: „Es ist“, sagt Dubravka Djurić und lacht dabei, „auch ein feministisches Training.“ BARBARA OERTEL
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