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Zersetzende Biowaffen

US-Militär setzt verstärkt auf „nichttödliche Waffen“: Bakterien, die Treibstoff fressen oder Asphalt zersetzen. Auch bewusstseinsverändernde Medikamente wurden auf ihre Waffenfähigkeit geprüft

von WOLFGANG LÖHR

Nur wenige Tage nachdem der US-Kongress in der vergangenen Woche ein 4,6-Milliarden-Dollar-Paket zum Schutz vor Angriffen mit biologischen und chemischen Waffen bewilligte, wurden erneut Pläne des Verteidigungsministerium zur Entwicklung verbotener Waffen bekannt.

Die britische Zeitung The Observer berichtete am Wochenende, dass das Pentagon vor zwei Jahren Wissenschaftler der Pennsylvania State University beauftragte, zu prüfen, ob Valium oder auch andere Beruhigungsmittel zur Schwächung einer feindlichen Armee oder zur Beruhigung der Bevölkerung geeignet sind. Die Wissenschaftler kamen laut Observer zu dem Ergebnis, dass diese Beruhigungsmittel, die auf das zentrale Nervensystem einwirken, geeignet seien, ein weniger aggressives Verhalten hervorzurufen.

Von einem Sprecher des von der US-Marine 1997 gegründeten Abteilung „Joint Nonlethal Weapons Directorate“ wird die Existenz eines deratigen Forschungsprogramms bestritten. Es habe lediglich Forschungsanträge von Wissenschaftlern gegeben. Gegenüber der US-Initiative „Global Security Newswire“ räumte der Sprecher jedoch ein, dass die Anträge zur weiteren Begutachtung an ein Wissenschaftlergremium weitergereicht worden seien. Man habe sie jedoch nicht weiterverfolgt, heißt es. Derartige Forschung sei auch illegal, sagte der Sprecher.

„Wenn sie wissen, dass es illegal ist“, warum nur hätten sie dann noch eine Begutachtung eingeholt, fragt skeptisch Edward Hammond, von der Initiative Sunshine Project. Die international organiserte Initative hat sich zur Aufgabe gestellt, über biologische Waffen zu informieren und die Weiterentwicklung der Biowaffen-Konvention zu unterstützen. Hammond vermutet, dass man im Joint Nonlethal Weapons Directorate sicherlich gehofft habe, grünes Licht für die Forschungen zu bekommen.

Vor wenigen Wochen erst hatte das Sunshine Project in den USA erstmals „schriftliche Beweise“ dafür vorgelegt, dass „US-amerikanische Militärs den Einsatz biologischer Waffen planen“. Der Initiative wurden Forschungsanträge zugänglich gemacht, die sich mit der Entwicklung und Erprobung zerstörender Mikroorganismen befassen.

Unter anderem sollten gentechnisch manipulierte Bakterien entwickelt werden, die den Asphalt von Straßen und Rollfeldern zersetzen können. Andere Bakterien wiederum sollten dazu gebracht werden, Enzyme freizusetzen, die Tarnfarben zersetzen oder Treibstoff fressen. In Betracht gezogen wurde auch Mikroorganismen, die zum Beispiel Filter verstopfen. So utopisch, wie es sich anhört, sind diese Vorschläge nicht: Öl fressende Bakterien gibt es schon seit längerem. Sie waren die ersten Organismen, die in den USA patentiert wurden.

Das Sunshine Project hat die brisanten Unterlagen inzwischen dem US-Justizministerium übergeben und „eine Strafverfolgung aller beteiligten Personen“ gefordert, die gegen das 1989 verabschiedete B-Waffen-Anti-Terror-Gesetz verstoßen hätten. Gerüchte über „nichttödliche B-Waffen“ gebe es schon seit längerem, erklärt Jan van Aken, der das Sunshine Project in Deutschland vertritt. Der Hamburger Biologe befürchtet, wenn jetzt in den USA vermehrt Gelder in die B-Waffenforschung fließen, dass dann auch verstärkt Forschungsprojekte etabliert werden, die eigentlich nicht zulässig sind. Als Beispiel führte er den Bau einer B-Waffen-Anlage in Nevada an, bei der man prüfen wollte, wie einfach es sei, eine derartige Anlage zu bauen. „Je mehr Geld zur Verfügung steht“, so van Aken, „umso mehr Projekte werden auch gemacht, die heikel sind.“

Seit Anfang der Neunzigerjahre sei zu beobachten, dass in den USA die Forschung an nichttödlichen Waffen zunehme. Und von „Anfang an waren die biologischen und chemischen Waffen dabei“, sagt van Aken.

Befürchtungen, dass hierzulande eine ähnliche Entwicklung einsetze, hat der Hamburger Biologe nicht. Am Robert-Koch-Institut in Berlin wird zwar derzeit ein „Zentrum für Biologische Sicherheit (ZBS)“ eingerichtet. Desssen Aufgabe ist jedoch ausschließlich die Abwehr von biologischen Angriffen. Insgesamt 35 neue Stellen sind für das Zentrum bewilligt worden.

Einige Wochen werde es noch dauern, bis das Zentrum arbeitsfähig sein werde, erklärt die RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher. „Vergangene Woche sind die Stellenausschreibungen veröffentlicht worden.“ Gesucht werden unter anderem Mediziner, Bakteriologen, Hygieniker und Epidemiologen. Sie sollen vor allem neue Nachweismethoden für potenzielle B-Waffen entwickeln und ein Frühwarnsystem aufbauen.

Infos: www.sunshine-project.org,www.nti.org

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