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ofusaidoFrankreich – Senegal 0:1

„Bring ihn um!“

Kurz vor Anstoß: Hektik bricht aus: In Seoul singen die französischen Spieler schon die Marseillaise, im Café Sunugaal in der Kreuzberger Oranienstraße steht die Leinwand immer noch nicht. 30 Leute, viele davon dunkelhäutig, sitzen im Hinterzimmer der afrikanischen Kneipe und fiebern dem ersten WM-Spiel Senegals entgegen. „Wir haben den besten Spieler Afrikas“, sagt Wirt Ouzar: „El Hadji Diouf.“ 5. Minute: Die Leinwand steht endlich. Das Bild ist unscharf, man sieht kaum den Ball, aber die Stimmung ist blendend. Jedes gelungene Tackling der Senegalesen wird frenetisch beklatscht. El Hadji Diouf rennt im Zweiminutentakt ins Abseits und bekommt trotzdem Applaus. Auch im Café Sunugaal heißen die Spieler „Jungs“. „Spielerisch können sie mit den Franzosen nicht mithalten“, meint der Reporter im Fernsehen. 23. Minute: Trezeguet trifft den Pfosten. „Auf den müssen sie aufpassen“, sagt Flex. Der 25-Jährige ist aus Gambia und hält trotzdem zu Senegal: „Wir gehören zusammen.“ 29. Minute: Der Ton fällt aus, Sekunden später trotzdem ohrenbetäubender Lärm: Bouba Diop schießt das 1:0 für Senegal. Alle springen auf, fallen sich in die Arme, singen: „Olé, olé, Senegal!“ 40. Minute: Der Ton wird rauer. „Bring ihn um!“, werden die eigenen Verteidiger angefeuert. Foul spielende Franzosen heißen pauschal „Arschloch“. „Die Jungs aus dem Senegal machen das ganz prima“, sagt der Reporter. Pause: Vorgezogene Siegesfeier auf der O-Straße mit Senegalfahne. Die Leute vom türkischen Café gegenüber lachen freundlich. 2. Halbzeit: Die Leinwand kommt weg, Wirt Ouzar stellt ein Fernsehgerät auf. Die Franzosen haben drei Großchancen, Torhüter Sylva hält. „Fucking good man!“, ruft Flex. „Es gibt viele heilige Männer im Senegal, die für die Mannschaft gebetet haben.“ 66. Minute: Henry trifft die Latte. Die Stimmung im Sunugaal ist angespannt: „Nur dran glauben, ihr schafft es!“, murmelt einer. 80. Minute: Die Franzosen wechseln Stürmer Cisse ein. Grummeln im Raum: Cisse stammt aus dem Senegal. „Ein genialer Spieler“, sagt einer bangend. Trotzdem bringen die Franzosen den Ball nicht rein. „Der afrikanische Fußball hat sehr aufgeholt“, sagt der Reporter. 93. Minute: Endlich Schlusspfiff. Auf der O-Straße tanzen zwanzig Afrikaner, vorbeifahrende Autos hupen. „Wir kommen ins Finale!“, schreit einer.

MAX

Ofusaido heißt auf Japanisch Abseits.

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