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Unbehagen bei „Marke und Mäzen“

Die neue Ausstellung der Böttcherstraße über ihren Begründer Ludwig Roselius lässt Fragen offen. Ein Gastkommentar von Arn Strohmeyer

Bremens heimliche Hauptstraße, die Böttcherstraße, ist ein äußerst problematisches weltanschauliches Erbe. Das Kuriose oder Paradoxe daran ist, dass die meisten Hansestädter davon nichts wissen oder auch gar nicht wissen wollen. Für die Touristen, die jeden Tag zu Tausenden die Gasse durchwandern, ist sie vermutlich eine Art nördliche Mischung aus Rüdesheimer Drosselgasse und einem Stück mittelalterliches Rothenburg. Die Verantwortlichen für die Straße haben bisher wenig oder nichts dafür getan, diesen Eindruck zu korrigieren.

Geburtstage und Jubiläen sind da immer gute Anlässe, Aufarbeitung oder Aufklärung nachzuholen und die Dinge in neuem Licht zu sehen. Eine solche Gelegenheit böte jetzt das 75-jährige Bestehen des Paula Modersohn-Becker Museums in der Böttcherstraße - ein Haus, das sich mit zwei Bremer Superlativen rühmen kann, nämlich nicht nur das „erste Künstlermuseum der Moderne in Deutschland“ gewesen zu sein, sondern auch das erste, das dem Werk einer Künstlerin gewidmet worden ist.

Das Gebäude ist ja selbst ein Kunstwerk, eine expressionistische Hommage an die große Worpsweder Malerin - konzipiert von Bernhard Hoetger, in Auftrag gegeben und finanziert von dem Großkaufmann, Industriellen und Kunstliebhaber Ludwig Roselius (1874 - 1943), dessen Werk auch der Bau der ganzen Straße ist. Die Ausstellung „Marke und Mäzen“, die nun dem Dreiviertel-Jahrhundert Paula Modersohn-Becker Haus gewidmet ist, huldigt dem Mäzen Ludwig Roselius und seiner Marke „Kaffee HAG“, die wieder ein Bremer Superlativ war. Denn HAG war der erste coffeeinfreie Kaffee der Welt, dessen Erfindung sich der Firmeninhaber selbst zu Gute schrieb.

Was die Ausstellung nun demonstrieren will, ist, am Exempel Böttcherstraße, der Marke Kaffee HAG und der historischen Gestalt des Bremer Kaffeekönigs die enge Verschränkung von Produktwerbung, Marketing (Propaganda und Reklame hieß das bei ihm noch) und Sponsoring beziehungsweise Mäzenatentum zu belegen und damit letztlich die „Aktualität“ und „Modernität“ des Unternehmers und seiner Ideen in der Gesellschaft der globalen Marktwirtschaft von heute. Dass Roselius auf diesen Gebieten ein Pionier war und für seine Werbestrategien aus ganz Deutschland die besten und kreativsten Köpfe einspannte, ist bekannt und unumstritten. Die Ausstellung belegt das eindrucksvoll mit der Präsentation von damaligem „Corporate Design“ bei Plakaten, Geschirr und Verpackungen. Der rote Rettungsring auf weißem Grund mit eingeschriebenem Markennamen und später das rote Herz als Zeichen für den Schon-Kaffee waren schon vor dem Ersten Weltkrieg Logos mit weltweitem Bekanntheitsgrad und Symbole für den ungeheuren unternehmerischen Erfolg des Bremer Kaffeekönigs.

Dass er damit die finanziellen Voraussetzungen für sein Mäzenatentum schuf, ist auch bekannt. Die Ausstellung demonstriert diese Verbindung durch den mit großem Aufwand rekonstruierten Paula Becker- Modersohn Saal (das Haus war ja im Krieg schwer beschädigt worden), in dem nun in gleicher Anordnung wie 1927 (fast) alle und dieselben Bilder der Worpsweder Künstlerin hängen. Allein diese einmalige Neuschaffung des Original-Raumes mit den Original-Werken macht den Gang zu „Marke und Mäzen“ schon zur Pflicht.

Die exzellent präsentierte Ausstellung wird durch Fotos von der alten Böttcherstraße vor der Zerstörung und Kunsthandwerk aus den “7-Faulen-Werkstätten“ ergänzt, deren Design zu den herausragenden Produkten des in Deutschland nicht sehr verbreiteten „art deko“ gehören. Kann Bremen also stolz darauf sein, mit dem Kaffeekönig Ludwig Roselius einen großen Unternehmer, Werbepionier und Kunstmäzen besessen zu haben, dessen Wirken nicht nur für die Hansestadt Maßstäbe gesetzt hat? Mitnichten. Man verlässt „Marke und Mäzen“ mit einem tiefen Gefühl des Unbehagens. Denn neben dem „modernen“ und „aktuellen“ Ludwig Roselius, den die Ausstellung vorrangig und kritiklos feiert, gab es ja auch noch einen ganz anderen, über den man so gut wie nichts erfährt: den völkischen Ideologen und später begeisterten Nationalsozialisten, der gerade mit seiner Böttcherstraße nicht nur Werbung für Kaffee HAG machen wollte, sondern auch für seine äußerst rechte politische Weltanschauung.

Der Umgang mit der Biographie dieses Mannes in Bremen nach 1945 ist ein gutes Beispiel dafür, dass Sprache und Realität nicht unbedingt etwas miteinander zu tun haben müssen. Im Gegenteil: Man kann mit Sprache ganz neue Wirklichkeiten erzeugen - und hat das bei Ludwig Roselius auch gründlich getan. Erst in letzter Zeit häufen sich die kritischen Arbeiten über ihn, weil man an den Fakten einfach nicht mehr vorbeigehen kann. Und die besagen: Die Persönlichkeit dieses Mannes lässt sich nicht einfach aufspalten in den äußerst erfolgreichen Unternehmer, den cleveren Werbestrategen sowie den sensiblen und weit vorausschauenden Kunstliebhaber und Mäzen, der dann irgendwo in einem zu vernachlässigenden Teil seiner Seele auch noch ein fanatischer Völkischer und Nationalsozialist war.

Das geht grundsätzlich nicht, und es geht schon gar nicht bei Roselius, denn das Kunstverständnis dieses Mannes war durch und durch völkisch. Kunst war für ihn letztlich - hier ganz der Bayreuther Wagner-Religion folgend - Heilsverkündung und Erlösung im deutschen, und das hieß für ihn, im germanisch-arischen oder niederdeutschen Sinn. Er meinte das durchaus auch rassisch, denn an dem völkischen Dogma, dass einzig die arischen Germanen die Fähigkeit besäßen, Kultur hervorzubringen (im Gegensatz zum „Orient“, also den Juden) , hat er nie gezweifelt. Roselius hat diese Gedanken in seinen Aufsätzen, Büchern, Reden und Briefen selbst immer wieder ausgeführt. Wer es nicht glauben will, lese es dort nach! Aus diesem völkischen Geist heraus hat er auch die Malerei Paula Modersohn- Beckers verstanden, die er für eine arisch-“niederdeutsche“ Künstlerin hielt, weil sie „keinen Tropfen fremden Blutes in ihren Adern gehabt“ habe. Aus diesem selben Geist heraus hat er auch sein Gesamtkunstwerk Böttcherstraße konzipiert, das ein Monument der völkischen „Wiedergeburt“ Deutschlands sein sollte. Nach seinem Verständnis hatte Kunst die Aufgabe, die Menschen im völkisch-deutschen Sinne „sehend“ zu machen. So betrachtet war die Böttcherstraße auch ein Propagandainstrument für seine politische Weltanschauung.

Dass die Nazis auf die von ihm entwickelten Begriffe und Methoden der Werbung anknüpfen konnten, ist belegt. Dass die braunen Machthaber, denen er sich so andiente, aber sein völkisches Kunstverständnis, das sich dem Expressionismus verbunden fühlte, völlig ablehnten, war die Tragik seines Lebens, hat mit Gegnerschaft zum Nationalsozialismus aber rein gar nichts zu tun. Von all dem zeigt die Ausstellung „Marke und Mäzen“ so gut wie nichts.

Der Leiter der Kunstsammlung Böttcherstraße, Dr. Rainer Stamm, antwortet auf diese Kritik: Für eine Präsentation der Weltanschauung des Ludwig Roselius gebe es keine „Objekte“, die er zeigen könne. In einer solchen Ausstellung könnten aber nur „Objekte“ sprechen. Ist nicht die ganze Straße „Objekt“ genug, das der Erläuterung bedarf? So bleiben also die brisanten Zusammenhänge im Wirken des Bremer Kaffeekönigs von offizieller Seite her weiter unausgesprochen. Muss das wirklich so sein?

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