: Tamtam ohne Ergebnisse
Einstmals wurde sie eingerichtet, um Innensenator Bernt Schulte (CDU) politisch zu retten. Jetzt wurde die erfolglose Sonder-Ermittlungsgruppe der Polizei wieder eingestampft
Ganz heimlich still und leise wurde die Ermittlungsgruppe (EG) 19 der Bremer Polizei vor kurzem vom Senat in den ewigen Ruhestand versetzt: Die Ermittlungen betreffs der sogenannten „Scheinlibanesen“, mit der sich die vierköpfige EG 19 beschäftigten, sind abgeschlossen – nicht unbedingt zur Freude der Innenbehörde. Dabei war die EG 19 im September 2000 als Folge einer politischen Rettungsaktion für Innensenator Bernt Schulte (CDU) ins Leben gerufen worden. Der hatte unter großem Medienrummel „einen der größten Fälle von Asylmissbrauch in Deutschland" entdeckt. 500 „falsche Libanesen", so Schulte, lebten in Bremen. Schulte, wegen zu großer Weichheit auch in der eigenen Partei unter Beschuss, wollte endlich mal hart durchgreifen, seinen Posten retten — und „zügig" abschieben. Zu diesem Zweck wurde ab September 2000 die EG 19 eingerichtet, die traurige Geschichte um die kurdischen Libanesen in Bremen konnte weiter eskalieren.
Immerhin hatten sich die Kurden aus den Kriegsgebieten des Libanon eines besonders schweren Vergehensschuldig gemacht: Ab Mitte der 80er-Jahre waren sie scharenweise in die Bundesrepublik eingereist — allerdings unter Vorspiegelung falscher Tatsachen. Vielfach hatten sie auf der Flucht aus dem Libanon Unterschlupf in der Türkei bekommen und sich dort auch Papiere besorgt, um ihren Aufenthaltsstatus am Bosporus zu festigen. Genau diese Papiere werden den Libanesen derzeit zum Verhängnis: Reisten sie noch als „Staatenlose" — also nicht abschiebbar — beispielsweise nach Bremen ein, stießen die Fahnder nun auf ihre „zweite", eine türkische Identität. Verfolgte Kurden in Türkei hin, Eltern und ihre Kinder, die oft kein Wort Türkisch verstehen, her — in den NATO-Staat Türkei lässt sich nach deutscher Rechtssprechung abschieben
Mit dem Tamtam um die Abschiebungen legte .Schulte seinem Nachfolger Kuno Böse (CDU) ein böses Ei ins Nest. Anstatt das üble Thema einfach auf Sparflamme zu halten, mußte sich Böse in Folge mit noch mehr Pressegeschrei, einer Vielzahl von Demonstrationen und ganz besonders widerspenstigen Libanesen herumschlagen – 270 Personen, die abgeschoben werden sollten, gingen gegen die Verfügung vor den Kadi. Viele Prozesse dauern immer noch an.
Tatsächlich abgeschoben wurden wegen schleppender Beweisaufnahme und der vielen Prozesse bis heute „nur" rund 60 der „Scheinlibanesen", davon 24, bevor die Sondertruppe der Polizei eingerichtet worden war. Auch der Deal zwischen Innen- und Sozialbehörde, der die EG 19 finanzieren sollte, wurde weitgehend hinfällig. Die vier freigestellten Mitarbeiter sollten nämlich durch eingesparte Sozialhilfe „refinanziert" werden. Jetzt gehen sie wieder zurück in ihre alten Jobs im Ausländeramt und im Innenressort. Und die restlichen Fälle bearbeitet, wie früher, die Kripo. Kai Schöneberg
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