berliner szenen WM-Kneipentour

Tore in jeder Tonart

Die WM beginnt ohne Ton im Sale e Tabacchi, sozusagen in der taz. Ohne Ton merkt man erst, wie wichtig der Ton ist. Die Aktionen auf dem Spielfeld wirken ein bisschen zusammenhanglos bzw. nur noch auf eine sehr relaxte Art interessant. Ein Turnier, in dem das erste Tor von einem Spieler namens Papa Bouba Diop erzielt wird, kann nur toll werden. Danach hat man so ein Gefühl von „gut in die WM gestar tet zu sein“, und am Mehringplatz gibt es eine pazifistische Aktion („Zukunft nur mit Kriegstabu!“) mit Kindern, die über Polizeimegafone sagen: „Hallo! Hier spricht die Polizei!“

Samstagmorgen um acht ruft M. an. „Wo gucken?“ Er ist noch wach. Auf der Seite „sportkneipe.de“ stehen 178 Berliner WM-Kneipen. Im Osteria-Zelt am Kreuzberg sind die Spiele auf Italienisch, und der Kaffee ist um neun fertig. Eine Zuschauerzusammenrottung ruft „1, 2, 3 – Oberkörper frei!“. Mit Zahnschmerzen und Ton zu gucken ist auch komisch. Derweil schwächelt bei „Kuchen-Kaiser“ in 36 die Leinwand. Vor dem Ex-WMF in der Ziegelstraße warten alle vergeblich darauf, reingelassen zu werden. Das Spiel gegen Saudi-Arabien ist doof. „Kann mal nicht jemand vorspulen?“ Und nun? Zur „Brotmaus“, in die „Potsdamer Stange“, „Zum feuchten Grafen“ oder wie oder was?

Um 7.15 ist die UFA-Fabrik schon wach. Hier gibt’s nur deutsche Spiele. Nicht alles stimmt, was im Internet steht. In der angenehm unaufgeregten „Distille“ am Mehringdamm sitzen sechs schweigende Männer. Manche trinken Bier für 1,40. Einer fragt: „Darf ich mich dazusetzen?“ Einer antwortet: „Dafür sind die Plätze da.“ Im Osteria-Zelt läuft nun deutscher Ton zum RAI-Bild. Nach einem gelungenen Schuss ruft ein Einzelfan: „Was für ein Brot!“ und „Komm, Nigeria!“