: Abgezockte dürfen meckern
Mit einem Internet-Beschwerdeforum will Verbraucherministerin Renate Künast mehr Transparenz in die Preiserhöhungen nach der Euro-Umstellung bringen
BERLIN taz ■ Folgt man einer Umfrage des Forschungsinstituts polis, hatten die Verbraucher den so genannten Anti-Teuro-Gipfel gar nicht mehr nötig, zu dem Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) am Freitag geladen hatte: 84 Prozent der Befragten boykottieren Geschäfte und Gaststätten, die die Preise seit der Euro-Umstellung zu stark angehoben haben, ohnehin schon. Nun können sie, so das Ergebnis der Gesprächsrunde, ihre Beschwerden auch öffentlich formulieren: unter der Internetadresse www.preis-wert-forum.de. Dort wird die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen demnächst im Auftrag des Verbraucherministeriums Beschwerden zentral veröffentlichen und den Unternehmen Gelegenheit zur Erklärung geben.
Eine andere Relevanz als für die Verbraucher hätte der runde Tisch für den Lebensmitteleinzelhandel haben können. Denn der leidet nicht nur unter dem Preiskampf in der Branche, sondern gerade auch unter der durch die Euro-Umstellung mitbedingten Kaufunlust der Verbraucher. Um 4 bis 6 Prozent sind die Umsätze seit Anfang des Jahres zurückgegangen. Ein Teufelskreis: Um zu überleben, müssen die Lebensmittelhändler nach einer Prognose des Ifo-Instituts die Preise für Nahrungsmittel in den kommenden Monaten tatsächlich anheben, während etwa Computer, Sport- und Campingartikel billiger werden.
Auch von Künast waren nach dem Treffen moderatere Töne zu hören als bei der Ankündigung des Termins vor einer Woche, als sie „unverschämte Preiserhöhungen“ registriert hatte. Nun sagte sie, die Debatte sei „ein Stück weit aufgeschaukelt“ worden. Wichtig sei nicht unbedingt, die Preise zu drücken, sondern die Verbraucher aufzuklären.
Dass die Verbraucherzentrale NRW die Federführung über das Internetforum, das das nun leisten soll, übernimmt, hat einen einfachen Grund. Sie hatte zu Beginn des Jahres bereits eine Beschwerdestelle eingerichtet. Bis Ende Februar hatten sich dort rund 1.700 Verbraucher über auffällige Preissteigerungen beschwert. In den meisten Fällen hatten die Unternehmen die Gelegenheit genutzt und versucht, ihre Preispolitik nachvollziehbar zu machen. Die Argumente reichten von der Notwendigkeit, höhere Kosten – wie etwa Mieten, aber in der Gastronomie auch die hohen Jahresanfangspreise etwa für Gemüse – weiterzugeben, bis zum abenteuerlichen Wegrechnen der Erhöhung.
Einige Unternehmen verweigerten jedoch auch eine Antwort – darunter ausgerechnet der Axel Springer Verlag, der mehrfach vergeblich nach dem Preissprung seines Fernsehmagazins Hörzu gefragt wurde. Pikant: Das Springer-Boulevardblatt Bild hatte die Debatte erst richtig angestoßen, als es so genannte Teuro-Sheriffs losschickte. Noch pikanter, dass es dafür sogar eine Belohnung gab. Am runden Tisch im Ministerium saß neben Verbraucherverbänden, Wirtschaftsvertretern und Gewerkschaften nur ein Journalist – den Künast-Sprecherin Sigrun Neuwerth allerdings „nicht als Reporter eingeladen“ wissen wollte: Jörg Quoos, Mitglied der Bild-Chefredaktion. BEATE WILLMS
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