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Kaisers Bäume

Freitag: Fußball-Lesung in der Shakespeare-Company

„Der Linksaußen und der Torwart, das sind immer die Verrückten in einer Fußballmannschaft. Bei dem einen kann im Hirn irgendwas nicht ganz richtig sein, weil er mit dem verkehrten Bein gegen den Ball haut, und der andere muss gleich ein irrer Depp sein, denn wer schmeißt sich auch noch freiwillig in den Dreck? Ich habe seit meinem fünfzehnten Lebensjahr im Tor gestanden, mich öfter als eine halbe Million Mal in den Dreck geworfen. Lässt das Rückschlüsse auf meinen Geisteszustand zu?“ O-Ton Sepp Maier, 1967. So lauten die ersten Zeilen von Maiers Autobiographie „Ich bin doch kein Tor“.

Da haben wir‘s: Fußball bringt die Leute dazu, über sich nachzudenken. Fußball bringt die Leute außerdem dazu, die Bibel zu lesen. Dort stoßen sie dann auf den Satz „Jesus ging aufs Tor zu, und die Jünger standen abseits“. Ein Kalauer, der den Fußball ins Jahr O v./n. Chr. kickt. Und seitdem Reinhold Beckmann und Sven Böttcher Fußball und die Platonischen Dialoge zusammengebracht haben, wissen wir: Fußball-Wurzeln können auch bis 427 v. Chr. gelegt werden.

Wurzeln, die so einen wie Franz Beckenbauer zu folgendem Statement treiben: „Sokrates, Aristoteles, Platon und diese Leute haben sich vor 2000 Jahren Gedanken gemacht, da sind wir noch auf den Bäumen gesessen und haben uns vor Wildschweinen gefürchtet. Seitdem haben sich nur ganz wenige weiter entwickelt. Ich gehöre leider auch zum großen anderen Teil. Wenn ich zum Beispiel Schopenhauer lese – ich verstehe ihn nicht.“

Was nicht tragisch ist, denn: „Alle großen Erkenntnisse sind einfacher Natur.“ Sagt zumindest Rainer Moritz, der Herausgeber des Buches „Vorne fallen die Tore. Fußball-Geschichte(n) von Sokrates bis Rudi Völler“. Moritz präsentiert Textzeugnisse von Spielern, Trainern, Sportreportern und Literaten, die sich chronologisch vom Jahr 2697 v. Chr. bis ins Jahr 2002 hangeln. Material, das die Bremer Shakespeare Company auf die Idee brachte, ihren Spielplan zu erweitern: Um eine Fußball-Lesung.

Am Freitag, den 7. Juni werden ab 19.30 Uhr drei bsc-Schauspieler Stücke aus dem Buch zum Teil in szenischer Verteilung lesen. Mit dabei ist taz-Kolumnist Fritz Tietz (die wahrheit, leibesübungen), der seine „große Fußball-Zeit im Alter von zwölf Jahren“ hatte und seitdem emotional an Arminia Bielefeld hängt. Tietz liest eigene Texte, bevor an diesem Abend der amtierende Deutsche Meister der Wilden Liga, die Bremer Mannschaft „Roter Stern“, auf der Bühne geehrt wird. Danach wird gekickt: Vier Klein-Mannschaften treten gegeneinander an. Den Gewinner bestimmen die Zuschauer. Wie im alten China. kli

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