Kronprinz in der Bewährungsprobe

Vorsichtig erneuert Günter Berg den Suhrkamp Verlag. Heute entscheidet er, ob der neue Walser gedruckt wird

Günter Berg ist der Mann, auf den es heute im Streit um das neue Buch Martin Walsers ankommt. Er allein entscheidet, ob der Suhrkamp Verlag den Roman „Tod eines Kritikers“ drucken wird oder nicht. Das hat Ulla Berkéwicz, die Frau des schwer erkrankten Verlagspatriarchen Siegfried Unseld, gestern in einem Radiointerview unmissverständlich klar gemacht. Damit hat sich die Verlegerfrau ausdrücklich hinter einen Verlagschef gestellt, dem es in gerade mal eineinhalb Jahren gelungen ist, den Suhrkamp Verlag von dem Gespött zu befreien, eine Maschinerie zum Verschleiß von Kronprinzen zu sein.

Bevor Günter Berg den Posten übernahm, versuchten sich in acht Jahren vier renommierte Verlagsleute an dem Unterfangen, den Suhrkamp Verlag den neuen Verhältnissen innerhalb der Buchbranche anzupassen. Alle scheiterten. Letztlich daran, dass sie sich gegen Siegfried Unseld nicht durchsetzen konnten, egal ob sie Joachim Unseld, Thedel von Wallmoden, Gottfried Honnefelder oder Christoph Buchwald hießen – alles Namen, die durchaus einen gewichtigen Ruf genießen. Erst Günter Berg brachte den Verlag personalpolitisch aus den Schlagzeilen. Sollte es ihm nun gelingen, auch noch unbeschädigt aus den Querelen um den Walser-Roman herauszukommen, hätte er auch seine erste große öffentliche Bewährungsprobe bestanden.

Günter Berg, Jahrgang 1959, ist das, was man ein Eigengewächs ist. Bevor er Verlagschef wurde, arbeitete er von 1990 an zehn Jahre lang als Lektor bei Suhrkamp und wirkte bei der Neuedition zahlreicher Werke Bertolt Brechts mit. 1995 übernahm er die Abteilung Neue Medien der Verlage Insel und Suhrkamp. 1996 wurde er der Leiter des Suhrkamp-Taschenbuch-Verlages. Eine geradlinige Hauskarriere. Die ihm Rückhalt innerhalb des Verlages sichern dürfte. Günter Berg hat bei Suhrkamp das Verlagsgeschäft von der Pike auf gelernt und dabei alle Besonderheiten dieses Hauses kennen gelernt. Vor allem die Treue zu den Autoren, die hier zu den hochheiligen Grundsätzen zählt und beim Walser-Streit von Belang ist, hat er verinnerlicht.

Aus dem Gespräch mit ihm nimmt man den Eindruck mit, dass er es in seiner Leidenschaftlichkeit fürs Büchermachen mit Siegfried Unseld aufnehmen kann – dass das etwas heißt, wird innerhalb der Branche jedermann bestätigen. Im Auftreten verbindlich, versteht er es, mitreißend von Plänen, Details und Deals zu berichten. Dabei wäre es falsch, sich Berg als jemanden vorzustellen, der sich vor jeder Entscheidung fragt, wie Unseld das wohl sehen könnte. Der vorsichtige Erneuerungskurs, den das altehrwürdige Frankfurter Verlagshaus derzeit steuert, verdankt sich seinem eigenen Kopf.

Die verlegerische Großtat, dass Arno Schmidt bei Suhrkamp erscheint, ist mit dem Namen Günter Berg verknüpft. Aber es geht hier auch um dezentere Zeichen. Dass beim letzten Roman Peter Handkes rechtzeitig Leseexemplare für die Rezensenten vorlagen, war für Günter Berg etwa keine Frage. Noch beim „Jahr in der Niemandsbucht“ hatte Handke das nicht gewünscht. Aber man muss ja nicht jede Marotte der Autoren mitmachen, auch wenn man sich, wie Suhrkamp, ausdrücklich als Autorenverlag versteht. Kleine Schritte in der übrigen Welt. Große Schritte im Planeten Suhrkamp. DIRK KNIPPHALS

kultur SEITE 15