: Der wahre und der echte CSD
„Kein Schnupperangebot an die linke, tolerante Heterowelt“: Ende Juni finden die „queerrr street days“ statt
Das Datum ist mit Bedacht gewählt. Während am Wochenende Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle und ein paar politische TrittbrettfahrerInnen über den Jungfernstieg lustwandeln, stehen die MacherInnen der „queerrr street days“ abseits. Sie feiern erst ab 27. Juni, dem genauen Jahrestag der Stonewall Riots (siehe Kasten). Damit und mit ihrem Motto „Spaß statt Kommerz“ wollen sie deutlich machen, dass aus ihrer Sicht der offizielle CSD nur noch wenig mit den politischen Wurzeln zu tun hat.
Die offizielle Parade nennt sich zwar auch politisch, doch dies hat für die „Queerrrs“ keinen Gehalt: „Unser CSD ist kein Schnupperangebot an die linke, tolerante Heterowelt“, begründet man die eigene Hermetik. Das Ganze hat eine längere Vorgeschichte. Das Unbehagen darüber, dass die offizielle Parade immer größer wurde, mit Sponsoren arbeitete, und der Bürgermeister als Schirmherr voranmarschierte, ist nicht neu. Als im Vorjahr jedoch der für den Zug zuständige CSD-Verein die Polizei rief, um eine Gruppe zu entfernen, ist der Streit zwischen dem wahren und dem echten CSD eskaliert. Angeblich hatte die Gruppe mit ihrem Wagen einen Ordner angefahren. Es kam zu gerichtlichen Auseinandersetzungen mit der Konsequenz, dass jetzt rund um die Rote Flora Ende Juni noch einmal Christopher Street Day gefeiert wird.
„Wir sind nicht die willkommene exotische Abwechslung im heteronormativen Alltag“, formuliert die Gruppe auf ihrer Homepage www.queerrrstreetdays.de. „Queer sein heißt für uns nicht postmoderne Beliebigkeit.“ Ob G-Move, Schlagermove oder CSD – die Züge sind verwechselbarer geworden, das passt den Queerrrs nicht. Polarisierung ist durchaus gewollt – in einem Jahr, in dem auch der offizielle Zug wieder erheblich an politischen Inhalten zulegen will. Die Kürzungen des Rechtssenats bei der Aids-Hilfe, bei schwulesbischen Projekten hat auch die politische Botschaft, die mehr und mehr zu verwässern drohte, wieder geschärft.
Doch das hat nicht ausgereicht, um alle Transgenders, Schwule und Lesben übermorgen gemeinsam auf die Straße zu bringen. Die Queerrr Street Days wollen stattdessen deutlicher machen, dass es bei den Stonewall Riots 1969 „um die Verbindung aller möglichen Kämpfe gegen Unterdrückung ging und nicht nur um Rechte für Homosexuelle“. Und: „Gerade in Anbetracht der viel gepriesenen ‚Verbesserungen‘ für Homosexuelle während der letzten Jahre halten wir es für wichtig, den neoliberalen Charakter herrschender Politik, der von der schwul-lesbischen Lobbypolitik übernommen wurde, zu hinterfragen.“
Die AbweichlerInnen beklagen sich, dass kritische Beiträge bereits im Vorfeld aus der offiziellen CSD-Broschüre entfernt worden seien und sprechen von Zensur. Der CSD-Verein hat das jedoch stets zurückgewiesen und über ihren Sprecher Oliver Stein lediglich „bedauert, dass es zu dem Riss in der CSD-Gemeinde gekommen ist“. PETER AHRENS
Das Programm der „queerrr street days“ am 27., 28. und 29. Juni wird im taz hamburg-Veranstaltungsteil veröffentlicht.
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