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Ritterburg mit Tunnelrutsche

Wenn Kinder ihre Spielplätze selber bauen dürfen, dann wollen sie Baumhäuser und Tunnelrutschen statt verdreckten Sandkästen und verrosteten Kletterstangen. Eine Geschichte davon, wie Spielplätze aussehen, wenn Kinder mit Hand anlegen.

Verdreckte Sandkästen, verrostete Kletterstangen, Schaukeln, an denen das Holz absplittert, daneben eine öde graue Betonfläche. Hier hält sich kein Kind gerne auf. Trotzdem gibt es viele Spielplätze, die genauso aussehen. Spielen hat etwas mit Spaß zu tun, und der vergeht Kindern schnell an den Orten, die eigentlich für sie geplant sein sollten.

Doch es kann auch anders gehen. Beim Mobilteam „Spielräume schaffen“ des Vereins „Spiellandschaft Bremen“ können die Kinder ihre Plätze mitplanen.

Beispiel Tenever: Die Hochhaussiedlung aus den 70er Jahren, sozialer Brennpunkt und kinderreichster Stadtteil Bremens. Der Spielplatz an der Neuwieder Straße 1-3 ist so alt wie der Stadtteil, liegt auf dem Betondach einer Tiefgarage und besteht aus ein paar rostigen Gerüsten und einem schmutzigen Sandkasten.

„Der Spielplatz war in einem katastrophalen Zustand: Schaukelgerüst ohne Schaukeln, Tischtennisplatten mit großen Löchern und überall Rost“, beschreibt Jürgen Brodbeck von „Spielräume schaffen“ den Zustand des Spielplatzes, bevor der Verein die Sanierung in Angriff nahm – zusammen mit den Kindern.

In einer „Zukunftswerkstatt“ konnten die Kinder Vorschläge machen und erste Modelle ihres Traumspielplatzes basteln. Fast alle Kinder wünschten sich eine Ritterburg mit Tunnelrutsche und eine Seilbahn. Die sollten sie auch bekommen, doch zuerst machten sie sich, gemeinsam mit ihren Eltern daran, den Platz zu säubern, sägten Bäume ab and bauten zusammen eine Picknick-Ecke. Danach wurde der Platz saniert und von Mitarbeitern eines Beschäftigungsprojektes bebaut. Seit November 2001 haben die Kinder an der Neuwieder Straße jetzt einen Spielplatz, wie sie ihn sich selbst gewünscht haben.

„Kinder fühlen sich für das, was sie selbst gestaltet haben, verantwortlich und gehen auch besser damit um“, nennt Brodbeck einen der Gründe für einen selbstgebauten Spielplatz. Es gebe zwar keine Garantie gegen Vandalismus, aber „manchmal reicht es schon, wenn ein Jugendlicher weiß: Hier hat die kleine Schwester von meinem Kumpel mitgearbeitet“, sagt er.

Den Spielplätzen, an die Kinder selbst Hand angelegt haben, sieht man das auch an. Wie dem Spielplatz „Robinsönchen“ gegenüber dem Theater am Goetheplatz. Integriert in die Wallanlage stehen hier unter vielen Bäumen Holzburgen mit Hängebrücken, Rutschen, die in den Hang gebaut sind, eine große Seilbahn, Höhlen und bunte Drachengerüste. Hier haben Kinder in Zusammenarbeit mit Stadtgrün ein Baumhaus gebaut.

„So etwas ist natürlich nur mit professioneller Anleitung möglich und muss mit dem TÜV abgeklärt werden“, erklärt Jürgen Brodbeck. Aber kleinere Projekte, wie Tunnel aus Weidenzweigen, Wasserspiele oder Matschtische, könnten die Eltern auch in Eigenregie mit ihren Kindern bauen.

„Wenn Kinder ihre Träume in ein Projekt stecken und sehen, dass die auch angenommen und umgesetzt werden, dann erleben sie, was Demokratie bedeutet“, sagt Jürgen Brodbeck. Dazu sei es jedoch nötig, dass der Spielplatz auch schnell fertiggestellt würde, denn über ein Jahr zu warten, bis sie einen Erfolg sehen können, sei für Kinder sehr lang.

Brodbeck rät allen Eltern, die sich über die Spielraumsituation ärgern, Initiativen zu gründen und einen öffentlichen Spielplatz zu übernehmen. Dann können die Eltern Unterstützung durch Vereine wie „Spiellandschaft Bremen“ bekommen, die unter der Schirmherrschaft der Jugendsenatorin stehen.

„Ansonsten geschieht nichts“. Obwohl in Paragraf 3 des Bremischen Kinder-, Jugend- und Familienförderungsgesetzes steht, dass junge Menschen und ihre Familien an Entscheidungen und Maßnahmen, die sie betreffen, beteiligt werden sollen. Anspruch und Realität sind oft weit entfernt, weiß Jürgen Brodbeck: „Es gibt Plätze, auf denen seit 30 Jahren nur ein Sandkasten steht, der immer mehr verkommt“.

Katja Plümäkers

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