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Ringer, Golfer, Baseballstars

Japan hat zwar keine Balltradition, aber guten Willen: Hier spielt man Fußball für die Moderne, Golf für den Aufstieg in die Chefetagen, und Sumoringer kämpfen zu Ehren der alten Traditionen

von FRAUKE KEMPKA

„We are Japanese“, lautet die Überschrift riesiger Banner mit dem Konterfei eines berühmten japanischen Fußballnationalspielers, die seit Monaten besonders werbeträchtige Fassaden Tokios zieren. Wie überall sonst bietet auch in Japan der Sport eine gute Projektionsfläche für patriotische Gefühlswallungen. Der Fußball kann in Japan allerdings nur selten diesen Zweck erfüllen. Zwar führte der Transfer des Mittelfeldspielers Hidetoshi Nakata nach Perugia 1998 und später zum AS Rom zu einem Boom der Sportart, aber auch wenn Japan zusammen mit Südkorea zu den asiatischen Spitzenteams zählt, konnte es auf internationaler Ebene nicht wirklich überzeugen.

Während der Fußball weiterhin eine beachtete Randexistenz fristet, ist eine andere importierte Sportart, Baseball, längst zum japanischen Nationalsport aufgestiegen. Baseballfelder sind omnipräsent. Der professionelle Baseball, während der Saison an jedem Spieltag live im Fernsehen übertragen, ist eine Angelegenheit von nationaler Tragweite.

Baseballspieler verfügen über einen hohen Popularitätswert, und wenn es ihnen gelingt, von einem der US-amerikanischen Clubs angeworben zu werden, steigen sie zu Idolen auf. So wie Ichiro Suzuki, dessen Gesicht sich dem Japanbesucher schon nach wenigen Stunden ins Gedächtnis brennt, da er ständig in Werbespots und Anzeigen auftaucht. Der 27-Jährige ging nach einer erfolgreichen Karriere in Japan im November 2000 zu den Seattle Mariners und war, als er zum ersten Mal in einem Spiel aufgestellt wurde, selbst so überrascht, dass er zunächst ein Foto von der Aufstellungstafel machen musste. Inzwischen ist er auch in den USA so populär, dass ganze Bücher über „den bescheidenen Star aus Japan“ geschrieben wurden.

Suzuki ist aber nicht nur Baseballer, sondern auch ein Liebhaber des Golfspiels; in seiner Heimat kommt er allerdings nicht mehr dazu, dieses Hobby zu pflegen: „In Japan gibt es auf den Kursen überall Caddies. Die bitten mich ständig um Autogramme und wollen mich nicht golfen lassen“, sagte er in einem Interview. Die oberen zehntausend seiner Landsleute hingegen können dem edlen Zeitvertreib ungestört frönen. In den exklusiven Golfklubs sind sie aufgrund der hohen Mitgliedsbeiträge, die sich aus den exorbitanten Grundstückspreisen ergeben, unter sich, und beim Golfspiel lassen sich gut Beziehungen knüpfen. Die Beliebtheit des Golfspiels spiegelt den hohen Wert wider, der im modernen Japan wirtschaftlichem Erfolg beigemessen wird.

Wie aus einer längst vergangenen Welt wirkt dagegen das Sumoringen. In Japan gelten die alljährlich stattfindenden großen Sumoturniere nicht nur als sportliche, sondern auch als wichtige kulturelle Ereignisse. Ein enger Zusammenhang besteht zwischen Sumo und der japanischen Religion Schintoismus. Wie in Schintoschreinen der Eingang zur einer heiligen Stätte durch ein Reisstrohseil markiert ist, dient ein ähnliches Seil auch beim Sumo zur Begrenzung des Rings, und die dachähnliche Konstruktion, die über dem Ring angebracht ist, spiegelt die Architektur von Schreinen wider. Und traditionell ist auch die Aufmachung der Akteure. Da sich Sumo während der letzten Jahrhunderte kaum verändert hat, gilt es wie No-Theater oder Geisha-Kultur als Beleg für die Kontinuität alter Traditionen.

Dagegen steht mit der Fußballweltmeisterschaft eine Sportart ins Haus, die zwar schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts nach Japan gelangte, deren erste Profiliga aber erst 1993 aufgebaut wurde. Nach der WM 1998 in Frankreich führte das Time Magazine in einer Liste der Superlative als größte Überraschung des Turniers japanische Fußballfans auf, die nach dem Spiel ihren Müll wieder aufgelesen und mitgenommen hatten.

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