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Das alles reicht nicht

betr.: „Öko-Hennen und Eier werden vernichtet“, „Ökoanbau unprofessionell“ und „Biobranche vermutet Sabotage“, taz vom 31. 5. 02

Der Bio-Futterhersteller, der das verbotene Pflanzengift im Futter hatte, füllte nur zehn Prozent für den Ökoanbau ab. Das Problem beim Ökoanbau ist, dass in Osteuropa das Pflanzengift angewandt werden durfte und bei uns in Deutschland nicht. Normalerweise wäre es die Aufgabe der Ökolandbetriebe, nicht auf Produkte angewiesen zu sein, deren Hersteller aus der konventionellen Landwirtschaft stammen. Der Grenzwert ist um das 60fache überschritten. […]

Was wir brauchen, ist eine internationale biologische Landwirtschaft. Die Herren Kapitalbesitzer von Hoechst, Bayer und BASF wären natürlich nicht davon begeistert, da sie ihr Gift nicht mehr über die Nahrungskette an die Frau und den Mann bringen könnten!

Das Gleiche gilt für das genmanipulierte Getreide. Sie müssten alle um ihre Profite fürchten.

Die Biobauern und -läden benötigen unsere Solidarität in dieser schwierigen Situation. Ihre Aufgabe ist es, die Produkte, die sie herstellen, zu kontrollieren und nicht aus der konventionellen Landwirtschaft zu nehmen. […] ROSWITHA LUXZ, Bremen

Offener Brief an Renate Künast

Seit einiger Zeit fragen mich FreundInnen und Bekannte: „Na, bist du als Biobauer denn jetzt zufrieden mit der neuen grünen Agrarpolitik?“ Ich sage dann immer, dass ich eigentlich nicht meckern kann und dass das Verbot der Käfighaltung, die Schaffung des Ökosiegels und die Einführung des Modulationsgesetzes, welches zur Umschichtung produktions- und flächenbezogener EU-Mittel zugunsten einer nachhaltigen Landwirtschaft beitragen soll, Maßnahmen sind, die ich befürworte und die der biologischen Landwirtschaft langfristig zugute kommen werden.

Darüber hinaus aber gibt es einen fundamentalistischen Geist in mir, der mir sagt, das alles reicht nicht aus. Zum Beispiel das Ökosiegel: Der neuerliche Skandal zeigt, dass die Sicherheit, die mit diesem Siegel geschaffen werden sollte, eine trügerische war und dass es eine völlige Sicherheit für die VerbraucherInnen nie geben wird, solange unsere Lebensmittel als Massenware produziert und gehandelt werden. Dabei steht nicht die Frage im Vordergrund, ob öko oder nicht öko. Sondern es geht hier um die globalisierten und monopolistischen Markt- und Machtstrukturen in den der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Bereichen wie Futtermittel-, Düngemittel-, Pharma- und Lebensmittelindustrie.

Frau Künast, alles, was Sie nach dem Nitrofen-Skandal jetzt an neuen Kontrollmechanismen ins Leben rufen werden, wird nichts nützen, solange Sie nicht diesen agro-industriellen Komplex gründlichst ausgemistet haben!

Darüber hinaus hat in der Bauernschaft die Einführung des Ökosiegels zu einer Verhärtung der Fronten zwischen öko und konventionell geführt, da sich die konventionellen Landwirte von „ihrer“ Landwirtschaftsministerin ausgegrenzt fühlen.

Stattdessen sollten Sie dazu beitragen, dass die öffentliche Diskussion um die biologische Landwirtschaft unbedingt entdogmatisiert wird und der Blick geschärft wird für den Gegensatz zwischen den bäuerlichen Familienbetrieben als potentiellen Mitgliedern im Kreis der Biobetriebe und auf der anderen Seite den Agrarfabriken, die als Ausbeuter der Natur und der EU-Fördertöpfe abgeschafft werden müssen! CLAUS-UWE ERB, Biohof Garlitz

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