: Isolation zementiert
Martin Heckmanns‘ „Schieß doch, Kaufhaus!“ als Gastspiel der Autorentheatertage am Thalia
Fünf junge Leute, ihre Namen sind zweitrangig, schreien die Verzweiflung über die eigene Sprachlosigkeit hinaus, beschwörend, wie Formeln. Was zählt, ist das Gefühl, die Einsamkeit und Kommunikationsunfähigkeit mit anderen zu teilen. „Sind wir noch zusammen?“, fragt jeder die anderen aufs Neue.
Gleich beim Start wurde scharf geschossen. Die zweiten Hamburger Autorentheatertage im Thalia Theater gingen mit der ersten Gastspielpremiere Schieß doch, Kaufhaus! von Martin Heckmanns, einer Produktion des Theaterhaus Jena und Tif/ Staatsschauspiel Dresden an den Start. Und die Vorliebe der Jurorin Christine Dössel, Theaterredakteurin bei der Süddeutschen Zeitung, wurde deutlich: Sie suchte Stücke aus, die von mutigem Umgang mit Sprache und Formwillen geprägt sind. Den hat sie in neuen Stücken junger Autoren tatsächlich gefunden. Wie das des Berliners Martin Heckmanns, der bereits einige Förderpreise bekam.
Die Figuren heißen Ätz, Fetz, Klar, Kling und Knax. Namen wie Knacklaute. Austauschbar. Und genau so fühlen sich die Figuren. Sie bewegen sich auf Thilo Reuthers Bühne unter Neonröhren wie Stars ohne Soap. Im Hintergrund eine orange beleuchtete Bar. Wahlweise mutiert der Ort zu einem Podium, einem Kongress, einer Diskothek. Die Rituale bleiben die gleichen. Und wo die Unfähigkeit, die richtigen Worte zu finden, grassiert, wird die Körpersprache wichtiger. Diese Figuren haben alle ihre eigenen Codes.
Knax (Andreas Kling) muss sich noch über etwas klar werden, bevor er eine politische Meinung äußert. „Ich lehne ab, was ich bin. Ich weiss nicht, was ich sein könnte“, bekennt Ätz (Ute Baggeröhr). Die schüchterne Kling (Tjadke Biallowons) will ihre Isolation durchbrechen und kündigt an, jemanden anzusehen. Am Ende bleibt doch jeder für sich, und der diffuse Planeiner gemeinsamen Strategie, nach einem Aufbegehren gegen die Verhältnisse verläuft im Sande.
Mit einem dichten Arrangement hält Regisseurin Simone Blattner das Stück zusammen. Schieß doch, Kaufhaus! hat Tempo, Witz, Ironie und ist keine Sekunde langweilig – und das, obwohl hier keine zusammenhängende Geschichte erzählt wird.
Annette Stiekele
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen