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„Mehr Wettbewerb ist möglich“

Für den Finanzwissenschaftler Markus C. Kerber ist die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe gescheitert. Als Monopolunternehmen müsste es Gewinne machen. Jetzt zahlt der Verbraucher die Zeche. Ein neues Konzept muss her

taz: Herr Kerber: Der Senat hat eine Millionen-Bürgschaft für die teilweise landeseigenen Wasserbetriebe beschlossen. Ein richtiger Schritt?

Markus C. Kerber: Die Ausreichung einer Bürgschaft für die Berliner Wasserbetriebe ist politisch und haushaltswirtschaftlich fragwürdig. Zum einen, weil das Land bisher nicht die Gründe für die Bürgschaft dargelegt hat. Das heißt, die Ursachen für die defizitäre Geschäftsentwicklung sind nicht nachvollziehbar. Denn die Wasserbetriebe sind ein Monopolunternehmen, das Gewinne abwerfen müsste.

Weshalb konnte eine solche Entwicklung nach der Privatisierung eintreten?

Genau das ist die zweite Frage. Ist die Zusammenarbeit mit den Privaten – Vivendi und RWE – so wenig erfolgreich gewesen, dass es auch im Kerngeschäft zu Schieflagen gekommen ist, oder sind Schieflagen von vorher nicht beseitigt worden? Normalerweise führt eine Privatisierung ja zu einer Professionalisierung des Managements, hier scheint das Gegenteil eingetreten zu sein.

War die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe also ein Fehler?

Im Nachhinein betrachtet erfolgte sie nicht in der richtigen Struktur, um in Berlin das Wassergeschäft neu zu ordnen. Zu viele Fragen blieben offen. Warum muss zum Beispiel ein Wasserunternehmen als Monopol organisiert sein, obwohl das Berliner Netz das größte ist und von mehreren Wettbewerbern bewirtschaftet werden könnte? Warum muss sich ein solches Wasserunternehmen auf Gebieten herumtummeln, auf denen es keine Ahnung hat, zum Beipiel Telekommunikation oder Abfallwirtschaft? Und warum mussten sich die Wasserbetriebe im Ausland engagieren? Das Ganze ist ein eklatanter Fall einer gescheiterten private-public partnership.

Drängt sich da der Vergleich mit der Bankgesellschaft auf?

Die Privatisierungsstruktur, also die Kombination einer öffentlich-rechtlichen und einer privatrechtlichen Holding, erinnert in fataler Weise an die Bankgesellschaft, obwohl die Dimension des Versagens und des Risikos wesentlich geringer ist. Denn im Kern ist das Berliner Wassergeschäft rentabel zu gestalten.

Was bedeutet die jetzige Situation für die Verbraucher?

Wir beobachten seit längerem das Phänomen, dass die Berliner Wasserpreise zu den höchsten der Republik gehören, obwohl in der Region Grundwasser in Hülle und Fülle vorhanden ist. Die Wasserbetriebe haben sich als Gebietsmonopol Kosten angefressen, die international gesehen viel zu hoch sind. Dies wird letztlich vom Verbraucher zu zahlen sein. Der zahlt aber nicht nur die schlechte Kostenstruktur des Unternehmens mit seinen Gebühren, sondern auch die gescheiterten Ausflüge des Unternehmens in andere Märkte.

Was kann der Senat machen?

Der Senat hätte die Situation schon vor langer Zeit durch ein konsequentes Beteiligungscontrolling unter die Lupe nehmen müssen. Dass dies nicht geschah, geht zu Lasten der verantwortlichen Senatoren Gysi und Sarrazin. Der kurzfristige Bedarf einer Bürgschaft zeigt, dass die (teil)öffentlichen Unternehmen vom Eigner Berlin nur unzureichend kontrolliert werden. Wir brauchen eine völlige Neukonzeption der Wasserprivatisierung in Berlin. Hierbei muss geklärt werden, ob Vivendi und RWE weiter mitmachen können. Gegebenenfalls muss sich der Senat neue Partner suchen, um mehr Wettbewerb zu wagen. Die Krise ist aber auch eine Chance: für mehr Wettbewerb und weniger Gebietsmonopol in Berlin. Interview: ROT

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