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Öko-Skandal als Banküberfall

Was essen wir wirklich? Die Biobranche kämpft nach dem Nitrofen-Skandal umdas Vertrauen der Kunden. Keine Kritik an Verbraucherministerin Renate Künast

Es war zwar ein überschaubarer, dafür aber umso engagierter diskutierender Kreis, der sich zum taz-kongress-Thema „Alles öko – was essen wir wirklich?“ mit Moderator taz-Redakteur Rainer Metzger traf. Aus dem Podium wurde ein Sofa, aber dort saßen dafür drei, die wirklich Bescheid wussten: Ökolandwirt und Privatdozent Jörg Gehrke, Michael Wimmer von der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Brandenburg und Lutz Kluckert, Gründer von zwei Berliner Ökosupermärkten und seit Jahren in der Biobranche tätig.

Ausgangspunkt der Diskussion war der Nitrofen-Skandal und seine Folgen. Er habe natürlich einige Kunden verloren, erzählte Kluckert. „Aber insgesamt habe ich mit einem viel deutlicheren Rückschlag gerechnet.“ Seinen Kunden müsse er jetzt zwar Rede und Antwort stehen, er könne aber auch mit dem Hinweis auf unterschiedliche Bio-Siegel Vertrauen gewinnen.

Denn das Bio-Siegel gibt es nicht erst seit Renate Künast. Schon seit Jahren zertifizieren Bio-Hersteller und Vertreiber wie Demeter oder Naturland ihre Produkte nach eigenen Kriterien – die oftmals deutlich höhere Standards gesetzt haben als das jetzt gültige Bio-Siegel. „Ein allgemeingültiges Bio-Siegel war zwar überfällig, aber trotzdem sind wir mit dem jetzigen, das sich an EU-Standards orientiert, nicht zufrieden“, bemängelte Landwirt Gehrke. Denn das lässt die so genannte Doppelbewirtschaftung zu. Das heißt konkret: Ein Hof kann sowohl biologisch als auch konventionell bewirtschaftet werden. „Das sind Strukturen, die so nicht funktionieren“, bestätigte auch Michael Wimmer, „das haben wir jetzt gelernt.“

Weniger einig waren sich die Diskutanten aber in der Frage, wohin sich die Biobranche insgesamt entwickeln sollte. Während Gehrke für eine Veränderung der sozialen Strukturen zugunsten von mehr bäuerlichen Betrieben und Regionalität plädierte, schüttelte Kluckert mit seiner Erfahrung aus dem Bio-Supermarkt nur den Kopf. „Zum einen kann ich mit dem regionalen Angebot schon lange nicht mehr die Nachfrage befriedigen, zum anderen habe ich mehr als 8.000 Produkte – soll ich da mit jedem Bauern einzeln ausmachen, wie viel er mir wann liefert?“ Hier schaltete sich auch das Publikum ein, das vereinzelt zwar beteuerte, im Leben nicht Kürbiskerne aus China kaufen zu wollen, aber doch eine relativ realistische Einschätzung der Lage hatte: Zum einen sei der Nitrofen-Skandal einfach „wie ein Banküberfall“, der passiere einfach. Zum anderen waren sich Podium und Publikum auch einig, dass die Bilanz von Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) – und um die sollte es bei dem Kongress ja auch gehen – trotzdem sehr gut sei. „Ihre Politik wird weder aus ihrem Ministerium noch von den Landespolitikern getragen – und das ist das Schlimme“, fasste eine Zuhörerin zusammen. Kritisiert wurde außerdem die Arbeit und das Krisenmanagement der verschiedenen Bioverbände. „Warum gibt es nicht schon längst einen schlagkräftigen Dachverband?“, so die Frage.

Bei aller Suche nach dem oder den Schuldigen waren sich die Diskutanten aber auch über eines klar: Der Konsument spielt beim Werdegang der Biobranche eine große Rolle. Es sei klar, dass alle mehr Bio wollten, also müsse man es den Konsumenten einfach besser verkaufen, auch mit emotionalen Werten besetzen. „Die müssen wissen, dass das gut für sie ist“, so der Appell eines Zuhörers. „Aber sagen Sie nicht, dass es gesund ist – nennen Sie es von mir aus lieber Wellness.“

SUSANNE AMANN

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