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Virtuelle Funkzellen verwirren Handys

Bundestag legalisiert IMSI-Catcher, mit dem Handys identifiziert werden können. Bundesrat will Verschärfung

FREIBURG taz ■ Still und leise hat der Bundestag Mitte Mai den so genannten IMSI-Catcher legalisiert – ein Gerät, mit dem die Polizei unbekannte Handys identifizieren kann. Der Bundesrat ist mit dem Gesetz aber nicht einverstanden: Er will es noch weiter verschärfen.

Mit der neuen Technologie reagiert die Polizei auf das Problem, dass Verdächtige sich durch die Benutzung von Handys relativ leicht der Telefonüberwachung entziehen können. Entweder sie schließen Verträge unter falschem Namen, leihen sich Handys unverdächtiger Personen oder nutzen Prepaid-Karten, bei denen keine Angaben zur Person erforderlich sind. Um einen Handy-Benutzer abzuhören, muss die Polizei also erst einmal wissen, mit welchem Gerät oder welcher Karte der Betroffene telefoniert.

Hier hilft nun der IMSI-Catcher, ein teures Messgerät, das im Umfeld der Zielperson einen eigenen kleinen Versorgungsbereich in Form einer „virtuellen Funkzelle“ aufbaut. Die Handys in diesem Bereich erkennen darin eine vermeintlich bessere Verbindungsmöglichkeit und melden unter anderem ihre Kartennummer (IMSI = International Mobile Subscriber Identity). Während der Messung kann nach Polizeiangaben etwa zehn Sekunden lang nicht telefoniert werden. Bestehende Verbindungen werden aber nicht unterbrochen.

Erfasst wird mit dieser Messmethode allerdings nicht nur das Handy der Zielperson, sondern alle Mobiltelefone, die sich zufällig in der virtuellen Zelle befinden und auf Stand-by geschaltet sind. Deshalb muss die Messung an verschiedenen Orten, wo sich der Verdächtige aufhält, wiederholt werden. So können die relevanten Nummern als Schnittmenge aus dem Datenwust herausgefiltert werden. Die Daten von Unbeteiligten werden anschließend gelöscht, verspricht die Polizei.

Bisher haben nur Bundeskriminalamt und Bundesgrenzschutz (BGS) IMSI-Catcher angeschafft. Sie stellen sie aber auch den Landespolizeien zur Verfügung. Der BGS hat sein Gerät zwischen 1998 und April 2002 in insgesamt 34 Fällen eingesetzt. Eine Rechtsgrundlage bestand dafür allerdings nicht, obwohl in das Fernmeldegeheimnis eingegriffen wird. Ein Gesetzentwurf des Bundesrats scheiterte 1997. Seither behalfen sich Richter, die den Einsatz des IMSI-Catchers genehmigten, meist mit der Annahme eines „rechtfertigenden Notstandes“ – der aber nicht dafür gedacht ist, dem Staat ungesetzliches Handeln zu erlauben. Auch ein BGH-Urteil, auf das sich Innenminister Schily berief, passt nicht.

Um klare Verhältnisse zu schaffen, entschloss sich die Bundesregierung dann doch zu einer gesetzlichen Regelung. Im Januar wurde bereits der Einsatz von IMSI-Catchern durch den Verfassungsschutz legalisiert. Am 17. Mai hat der Bundestag nun auch der Polizei den Einsatz dieser Messtechnik erlaubt. Gemerkt hat das allerdings niemand, denn der neue Paragraf 100 i der Strafprozessordnung wurde erst auf Ausschussebene in einem harmlosen anderen Gesetzentwurf versteckt.

Dem Rechtsausschuss des Bundesrats geht das Gesetz aber noch nicht weit genug. Er will, dass der IMSI-Catcher bei allen „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ eingesetzt werden darf. Der Bundestag hatte den Einsatz auf Delikte begrenzt, die auch eine spätere Telefonüberwachung rechtfertigen würden. Am 21. Juni wird das Plenum des Bundesrats vermutlich den Vermittlungsausschuss anrufen. Das Gesetz ist aber nicht zustimmungspflichtig.

Für die Strafverteidiger-Vereinigungen kritisierte Margarete von Galen die neue Technik als „unverhältnismäßig“. Nach Einsatz des IMSI-Catchers könne das Netz mehrere Stunden zusammenbrechen, selbst Notrufe wären dann ausgeschlossen. Tatsächlich sorgen sich auch Telekom-Betreiber um die Netzqualität. Eine bei der Regulierungsbehörde angeforderte Untersuchung soll jedoch erst Ende Juni vorliegen. CHRISTIAN RATH

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