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„As soon as possible“

Michael Herter ist 29 Jahre alt, Jäger, Ingenieur bei BMW und CSU-Wähler

„Es ist ja kein Geheimnis, dass ich nicht zum ersten Mal die CSU wähle“

Manchmal will Michael Herter (29) seine Mitmenschen ein wenig ärgern. Zum Beispiel mit der Karikatur, die er so angebracht hat, dass man sie kaum übersehen kann, wenn man seine großzügige Wohnung in der Münchner Maxvorstadt betritt. Sie zeigt zwei Männer, die über einen Golfplatz schlendern. Der erste sagt zum zweiten: „Spitzensteuersatz heißt für mich: Spitze, was ich alles von der Steuer absetze.“ Beide lachen. Michael auch. Er hat die Zeichnung aufgehängt, um „links angehauchte Personen zu provozieren, wenn mal welche zu Besuch kommen“.

Michael hat braune Augen und dunkle Haare, er ist leger gekleidet, Freizeitlook. Er bittet Platz zu nehmen auf der blauen Couch in seinem Wohnzimmer. „Es ist ja kein Geheimnis“, sagt er, „dass ich nicht zum ersten Mal die CSU wählen werde.“ Von der Couch aus hat man einen schönen Blick auf Michaels Urlaubsfotos, die die Wand gegenüber zieren.

Urlaub bedeutet für ihn oft Jagd. In Irland war er jagen, in Südafrika, Polen, Südtirol, Colorado, Australien und Neuseeland. Auf dem Parkettboden liegt ein Bärenfell. Selbst geschossen. Michael ist 29 Jahre alt, Jäger, Ingenieur bei BMW und CSU-Wähler.

Unter der rot-grünen Regierung sind die Sozialversicherungsbeiträge gestiegen, und die Arbeitslosen sind auch nicht weniger geworden. Gegen die Homo-Ehe hat Michael nichts einzuwenden: Wenn man Verantwortung füreinander übernimmt, da hat auch der Staat etwas davon. Aber wegen dieser Reform Rot wählen oder gar Grün? Niemals käme er darauf.

Dagegen die CSU: „Die hat eine Erfolgsbilanz aufzuweisen.“ Edmund Stoiber war ihm zwar früher zu verbissen. „Aber das hat nicht dazu geführt, dass ich ihn nicht gewählt hätte.“ Bei der Erwähnung des Namens Angela Merkel verzieht Michael nur das Gesicht. Wenn er es sich recht überlegt: „Die Partei, die mich vertritt, die gibt es nicht. Es ist ein Ziel von mir, pragmatisch zu sein. Da wären auch FDP und ein bisschen Rot und Grün drin.“

Wichtig ist für Michael, dass die Politik etwas für die Wirtschaft tut. Für Michael muss sich das Leben rechnen: „Mein Ziel war es immer, möglichst früh Geld zu verdienen und keine Zeit zu verlieren.“ Er ist Ingenieur geworden wie sein Vater, hat sich schon früh für Autos interessiert, sogar mal in Kalifornien ein Praktikum gemacht und mit geholfen, ein fliegendes Auto zu konstruieren.

Seit fünf Jahren arbeitet er jetzt bei BMW, zurzeit in der Planungssteuerung. In seiner Küche hängt ein Poster mit einem gelben BMW-Sportwagen darauf. In zwei Jahren will er es zum Gruppenleiter geschafft haben: „Sonst habe ich etwas falsch gemacht.“ Hat ihn die Arbeit beim Konzern verändert? „Wenn ich mal denke“, sagt Michael darauf, „was ich noch vor sechs, sieben Jahren für Ansichten hatte.“ Ja, welche Ansichten denn? „Da fand ich Mercedes noch besser als BMW. Das hat sich geändert.“

Ein Leben ohne die Arbeit bei BMW? Nur mit einem Lottogewinn. Obwohl sich in letzter Zeit auch Nebenwirkungen bemerkbar machen. Eine Grippe konnte er nicht richtig auskurieren, er fühlt sich oft schlapp, dazu kommt ein stressbedingter Hautausschlag. Es muss mit der Arbeit zusammenhängen, denn „zwei Wochen Thailand genügen, und ich bin wieder fit“.

Bald bekommt Michael ein neues Auto. Wie alle seine Kollegen kann er sich zu günstigen Konditionen einen Wagen von der Firma mieten. Er hat sich für einen „Z3 3.0i“ entschieden, einen Sportwagen mit 231 PS. Der wird ihn über 500 Euro Miete im Monat kosten, dazu noch den Sprit: „Da könnte man gleich Taxi fahren.“

Michael leistet sich den Luxus, denn er ist allein stehend und trägt nur für sich selbst Verantwortung. Später wünscht er sich mal eine Familie, dann wäre das anders. Aber in München die richtige Freundin zu finden ist schwer. Dass er wegen einer Frau seine Stelle bei BMW aufgibt, das kann sich Michael kaum vorstellen. „Außer, die erbt die Firma ihres Vaters und ich kann da einsteigen.“

Seine Abende verbringt er im Sausolitos in der Türkenstraße, wo man Cocktails trinkt. Oder gegenüber im schicken Café Puck. Oder damit, dass er am Computer eine Excel-Tabelle entwirft, aus der glasklar hervorgeht, ob es günstiger ist, der Firma einen Wagen abzukaufen und nach einem Jahr weiterzuverkaufen, oder ob das Mieten nicht doch mehr Vorteile bringt. Bei den Kollegen ist die Tabelle sehr beliebt.

Im Herbst fährt Michael wieder auf die Jagd, diesmal soll es ins südliche Afrika gehen. Ein Leopard fehlt ihm noch. Und sonst? Manchmal spürt er eine „private Leere“, die will er ausfüllen, und zwar asap. „Das heißt ‚As soon as possible‘. Ist das außerhalb von BMW überhaupt bekannt? Wir haben da so viele eigene Wörter. Eine richtige BMW-Sprache.“

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