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Hoffen auf Glück mit Herrn Kim in Nordkorea

Pjöngjang lockt mit Millionen-Dollar-Gewinnen in einer Internetlotterie. Die Regierung teilt sich den Profit mit einem Geschäftsmann aus dem Süden

„Mit unserer Firma werden wir die Hälfte des Weltmarktes erobern“

PJÖNGJANG taz ■ „Mit unserer Firma werden wir die Hälfte des Weltmarktes erobern“, sagt Kim Beom-Hoon selbstbewusst. Der Südkoreaner steht vor einem Computer in einer Villa im Daedong-gang-Viertel der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang – was allein schon ungewöhnlich ist, denn beide Staaten sind seit einem halben Jahrhundert streng getrennt. Theoretisch liegen sie sogar im Krieg. Ebenso erstaunlich: Kim Beom-Hoon ist Chef eines Lottounternehmens, das nur über das Internet funktioniert und sich „DPRKoreaLotto.com“ nennt.

Lotto – Internet – Nordkorea? Das passt wohl kaum zusammen. Doch Herr Kim meint seine Ankündigung ernst: „Millionen Menschen werden bei uns ihr Geld einsetzen, weil sie mehr gewinnen können als anderswo.“ Im Hintergrund lächeln derweil einige schmale Herren in dunklen Anzügen, deren Brust das Porträt des „Großen Führers“ Kim Il Sung ziert.

Seit Anfang April soll die Webseite www.dprklotto.com Teilnehmern in aller Welt das Glück bringen. Mit einem Mindesteinsatz von zehn US-Dollar, zahlbar per Kreditkarte auf ein malaysisches Bankkonto, sind die Spieler dabei. Sie können, so die Werbung, bis zu „200 Millionen Dollar“ gewinnen.

Dazu hat der Geschäftsmann „den alleinigen Zugang“ zum einzigen bekannten Glasfaserkabel, das Pjöngjang mit Peking und Schanghai verbindet und Informationen mit einer Geschwindigkeit von zehn Megabits pro Sekunde transportieren kann.

Das Unternehmen des 42-jährigen Kim gehört zu den großen Seltsamkeiten Nordkoreas, wo das Glücksspiel für die Bevölkerung verboten ist – obwohl Casinos für Ausländer geöffnet wurden – und wo kein normaler Sterblicher einen Zugang zum Internet hat.

Seit Jahrzehnten haben der 1994 verstorbene „Große Führer“ Kim Il Sung und sein heute regierender Sohn, der „Liebe Führer“ Kim Jong Il, die Bürger zudem hermetisch von der Außenwelt abgeschottet. Selbst die in Pjöngjang stationierten Diplomaten und Mitarbeiter ausländischer Hilfsorganisationen können bisher nicht auf Webseiten surfen, da die Telefonleitungen ins Ausland für das Internet gesperrt sind. Um E-Mails zu schicken und zu empfangen, müssen sie einen Provider in China anwählen – im teuren Ferngespräch.

Besucher des Landes merken nach der Ankunft auf dem Flughafen der Hauptstadt, wie allergisch die Behörden gegen unerwünschte Informationen sind: Jeder muss sein Handy abgeben – obwohl es in Nordkorea derzeit noch gar kein Signal für Mobiltelefone gibt. Satellitentelefone sind ebenfalls verboten. Selbst Kurzwellenradios bleiben stumm – der Empfang aller ausländischen Sender wird blockiert.

Ist das „DPRKoreaLotto“ also Vorbote einer neuen Öffnung im Norden? Bringt es Licht in das traurige Land, das nicht nur zu wenig zu essen hat, sondern auch unter einer dramatischen Energiekrise leidet, die ganze Städte ins Dunkel versinken lässt? „Nein“, sagt der Südkoreaner Kim schlicht: „Außer mir darf hier niemand ans Internet!“

Wie Herr Kim mit dem runden Kindergesicht, der sein Geld bislang mit Musik- und Internet-Casino-Software in Südkorea machte, die Mächtigen im Norden dazu überredet hat, mit ihm ins Geschäft zu kommen, verrät er nicht. „Alle denken, ich habe dafür Geld gegeben. Aber das stimmt nicht!“, sagt er.

Er werde sich allerdings mit der nordkoreanischen Seite den Gewinn teilen, der „aus den Zinsen der Spieleinsätze“ erwachsen soll. Was Herr Kim nicht sagt: Für die tief verschuldete nordkoreanische Regierung, die sich nach Ansicht von Experten inzwischen außer durch Nahrungsmittelspenden vor allem mit Rüstungsexporten, Drogenhandel, Falschgeldproduktion und Geldwäsche über Wasser hält, ist jeder Weg hochwillkommen, der zum Dollar führt. Der Grund, warum Herr Kim sich ausgerechnet Pjöngjang als Hauptsitz für sein Projekt ausgesucht hat, ist, so sagt er, einfach: er muss keine Steuern zahlen. Über seine nordkoreanischen Teilhaber, die mit rund 70 Prozent an dem Joint-Venture beteiligt sind, will er sich allerdings lieber ausschweigen. Wer steckt zum Beispiel hinter der „Jangsang Trading General Co.“, die 51 Prozent der Anteile besitzen soll, und wer verbirgt sich hinter der „Pan-Pacific Economic Development Association of Korean Nationals“? Kim: „Ich geben Ihnen mal einen Rat: Fragen Sie nie danach, wer Ihre Partner sind, wenn Sie in Pjöngjang arbeiten wollen!“

Vor dem Start testeten drei südkoreanische Programmierer und dreißig nordkoreanische Angestellte mit über zwanzig funkelnagelneuen Philips- und Acer-Computern in der Firma bis spät in die Nacht ihr Programm. Für die 23-jährige Sprachstudentin Kim Ok Hyang, die die Webseite ins Englische übersetzt, ist der Job ein Abenteuer und eine Chance, den Hauch der großen weiten Welt zu spüren.

Auch die Herren im Hintergrund, die stets ein scharfes Auge auf die ausländischen Jounalisten haben, tauen für einen Moment auf, als plötzlich die Internetseiten des britischen „BBC“ auf dem Computerbildschirm erscheinen und als Beweis dafür dienen, wie schnell seine Leitung funktioniert.

Als besonderen Anreiz bietet Kim den Besuchern des Massengymnastikfestivals „Arirang“, an dem derzeit täglich 100.000 Menschen im „1.-Mai-Stadion“ von Pjöngjang auftreten, als Gewinn „5.000 US-Dollar“ an. Auf jeden Fall, beteuert Kim, „geht alles mit rechten Dingen zu“. Eine Internetkamera strahlt die Ziehung der Glückszahlen jeden Donnerstag in alle Welt aus. Wenn es doch mal Ärger gibt: Gerichtsstand ist Pjöngjang.

JUTTA LIETSCH

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