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Staat soll dem Bürger geöffnet werden

Enquetekommission des Bundestages zur „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ legte Bericht vor

BERLIN taz ■ Zweieinhalb Jahre lang mühte sich unter Mitwirkung zahlreicher Wissenschaftler und Aktivisten die Enquetekommission des Bundestages „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“, bis gestern schließlich ein dickleibiges Konvolut das Licht der Welt erblickte.

Die Experten aller Fraktionen nahmen einmütig die kollektive Vater-/Mutterschaft für das Werk in Anspruch, während sich die CDU/CSU-Fraktion – schließlich ist Wahlkampf – der Stimme enthielt. Vier dieser Professoren- Experten, die Abgeordnete Karin Kortmann sowie Ansgar Klein, seit vielen Jahren in Sachen Bürgerbewegungen engagiert, spitzten, ebenfalls gestern, die Ergebnisse der Studie zu.

Karin Kortmann sprach von einem kollektiven Lernprozess, Thomas Olk, Gutachter für die CDU, diagnostizierte gar einen Paradigmenwechsel im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements während der Berichtszeit. Nicht zu Unrecht, wie die Thesen zeigen.

Die politische Klimaveränderung betrifft vor allem das Selbstverständnis engagierter Bürger, in gleichem Maß aber auch das Verhältnis der Staatsorgane zu diesem Engagement. Bislang trat der Staat als übermächtiger Tutor auf, der über finanzierungswürdige Projekte wie Modelle entschied und Individuen, wie beispielsweise Übungsleiter, unterstützte. Gefördert wurde vor allem das, was den Staat entlastete. Jetzt aber sehen sich die Förderungsinstanzen neuen gesellschaftlichen Organisationsformen gegenüber, die nach neuen Formen der Kooperation rufen: Netzwerke, Verträge, Beratungs- und Entscheidungsforen.

Roland Roth fasste diese Entwicklungstendenzen im Begriff der Bürgerdemokratie zusammen. Paradoxerweise haben die Kommunen, wo am meisten mit neuen Formen der Bürgerbeteiligung, bis hin zur Aufstellung kommunaler Bürgerbudgets, experimentiert wird, den geringsten politischen und finanziellen Entscheidungsraum. Das gilt es zu ändern.

Wie überhaupt sich die Experten einig waren, dass sich die staatlichen Institutionen für das Bürgerengagement öffnen müssen. Es geht nicht um den „aktivierenden“ Staat. Denn entgegen konservativen Grundannahmen nehmen die Bürgeraktivitäten kontinuierlich zu. Es ist der Staat, der sich ändern muss.

Bürgerengagement soll auch in bisherigen Kernbereichen der Staatstätigkeit wie der Arbeitsmarkt- und der Schulpolitik stärker berücksichtigt werden. Adalbert Evers sprach hier auch von der Verpflichtung der Unternehmen, beispielsweise mittels Partnerschaftsverträgen Community-Nähe zu praktizieren statt Schulen nur als Werbe- träger ihrer Produkte anzusehen.

Deutschland ist weiterhin das Land der Vereine. Sie haben auch weiterhin ihre Berechtigung, gefährlich wird es nur dort, wo die etablierten Großvereine im Sport, in der Kultur und in der Wohlfahrt institutionelle Veränderungen abblocken. Es gilt, Lösungen zu finden, die allzu große Staatsnähe ebenso verhindern wie eine schroffe, vermittlungslose Entgegensetzung von Staat und Bürgergesellschaft.

CHRISTIAN SEMLER

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