: Kontrolle ist besser
Als käme die Steuerprüfung jedes Jahr vorbei: Wie Robert Böttiger kontrolliert, ob die Schleswig-Holsteiner Bio-Bäckerei KornKraft die Vorschriften einhält. Schummeln ist aufwendig
von GERNOT KNÖDLER
Am liebsten ist es Robert Böttiger, wenn er nichts zu beanstanden hat. Der gelernte Bäcker und Betriebswirt des Handwerks kontrolliert im Auftrag der Zertifizierungsfirma Alicon einmal jährlich, ob „Bio“-Betriebe diesen Titel zu Recht tragen dürfen.
An einem Junimorgen sitzt er am großen Frühstückstisch der Bioland-Bäckerei KornKraft im idyllischen Schinkel bei Kiel. Durchs verglaste Dach scheint die Sonne auf Aktenordner, Kaffeetassen und Brötchen. Bäckermeisterin Gundel Halver, die an einem normalen Tag zu dieser Zeit gerade ins Bett gehen würde, und Friederuhn Ortmann, die die Bäckerei als Betriebsberaterin betreut, schaffen Böttiger den jeweils benötigten Ordner herbei. Die Atmosphäre im Herzen der Bäckerei, die pro Woche rund 1500 Brote und Kleinkram backt, ist familiär. „Kontrolltechnisch“, sagt Böttiger, „ist das die Hölle.“
Das liegt an der Vielfalt der Backwaren: Brote, Brötchen, Kuchen, Snacks. „Die Produktpalette dieser Bäckerei ist so groß wie die von Kraft Foods“, sagt Böttiger. Dicht sei so ein System nie, ein 100prozentiger Nachweis, dass nicht mal eine Handvoll Sonnenblumenkörner verarbeitet wird, die nicht aus biologischer Produktion stammt, unmöglich. Bei einer noch so großen Brauerei dagegen wäre nur eine Handvoll Posten – Wasser, Hopfen, Malz – zu überprüfen.
Im Falle von KornKraft kontrolliert Böttiger deshalb stichprobenhaft einzelne Posten, besonders solche, bei denen sich das Schummeln lohnen würde. Im vergangenen Jahr zum Beispiel sei Vanille besonders teuer gewesen – 600 Mark das Kilo –, also schaue er als erstes, ob die Vanille im Lager mit dem geforderten Herkunftsnachweis versehen ist.
Die eigentliche Kontrolle beginnt jedoch am Tisch des Pausenraums, wo Böttiger die Sortimentsliste studiert und interessante Produkte markiert. Zu ihnen lässt er sich Halvers handschriftliche Rezepte zeigen, um sicherzustellen, dass sie nichts enthalten, was nach den Richtlinien nicht zulässig ist – eine Prüfung, die Halver als Beratung versteht, weil sie sie dazu zwingt, die eigene Arbeit zu reflektieren. Zuweilen ändere sich ein Rezept in der Praxis schleichend, so dass es am Ende womöglich nicht mehr ins Bio-Programm passe, sagt sie.
Halver muss zusätzlich Buch darüber führen, welche Brote und Kuchen sie in welchen Mengen gebacken hat, so dass Böttiger überschlagen kann, wieviel an Zutaten dafür nötig ist. Für jeden Sack Mehl muss die Bäckerin per Rechnung, Zertifikat und Augenschein die Herkunft nachweisen. Dabei zu schummeln ist schwierig, weil alle Dokumente zusammenpassen müssen und der Mehlverbrauch zum Beispiel überdies mit dem Wasserverbrauch korrespondieren muss. Zeigte der Wasserzähler zuviel, keimte bei Böttiger der Verdacht, dass nicht deklariertes Mehl verarbeitet worden sein muss. Bei vielen Zutaten ist der Verschleierungsaufwand einfach zu hoch, als dass es sich lohnen würde zu schummeln.
„Ich bin kein Detektiv“, sagt Böttiger. Normalerweise kooperierten die Betriebsinhaber, zumal sie die Prüfung dazu zwingt, sich über die eigenen Betriebsabläufe klar zu werden und Fehlentwicklungen auch betriebswirtschaftlicher Art frühzeitig zu korrigieren. „Der normale Verstoß, den wir haben, ist, dass jemand beim Weißmehl zur Hälfte konventionell erzeugtes verwendet“, sagt Böttiger.
Das wird korrigiert, und damit hat sich die Sache in der Regel, es sei denn, es kommen weitere Verstöße dazu, die darauf hindeuten, dass die Schlampigkeit Methode hat. Dann kommt Böttiger zu einer unangemeldeten Stichprobe vorbei. Zehn bis 20 Prozent der Betriebe müssen jährlich zusätzlich eine solche Stichprobe über sich ergehen lassen. Normalerweise sei sie kostenfrei, sagt Böttiger, „es sei denn, wir finden was“.
Die Gebühr von 500 Euro – soviel kostet auch die jährliche Routineprüfung – wirkt als Sanktion. Im schlimmsten Fall wird das Bio-Zertifikat aberkannt. „Man muss sich vorstellen, ein Betrieb hätte jährlich eine Steuerprüfung“, sagt Böttiger. Steuerprüfer kommen alle zehn Jahre.
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