: Ein arroganter Tüftler
In der Reihe „Lebensträume“ porträtiert die ARD Carl Borgward, den legendären Autohersteller. „Er nahm nicht genug Rücksicht auf den Senat“, behauptet der Film, der Fragen offen lässt
Im November 1960 bekam er im Bremer Rathaus das große Bundesverdienstkreuz, aber das geschah schon mit spitzen Fingern. Drei Monate später musste Carl F.W. Borgward seine Auto-Werke der Stadt Bremen überlassen. Wenig später scheiterte auch die Politik in ihrem Bemühen, das hochverschuldete Unternehmen aus Bremen-Sebaldsbrück zu retten: 20.000 Arbeiter und Angestellte wurden entlassen. Die größte Pleite der deutschen Nachkriegsgeschichte war perfekt.
In der ARD-Reihe „Lebensträume“ ist am Montag – nach dem Hendl-König Friedrich Jahn und Josef Neckermann, dem Mann, der‘s möglich machte – Borgward der Held des Abends. Eigentlich ein Anti-Held, denn seine steile Unternehmerkarriere, die er mit „einem Riecher für den Zeitgeist“, immer höher schraubte, endete in einer Katastrophe. Nachdem der Bremer Senat ihm einen dritten Kredit verweigert, musste er sein Lebenswerk entschädigungslos überschreiben, den Schlüssel seines Dienstwagens abgeben und das Werksgelände meiden.
„Carl F.W. Borgward – Aufstieg und Fall eines Autokönigs“ ist freilich nicht die erste Dokumentation, die über den Erfinder der legendären „Isabella“ gedreht wurde. Doch während in anderen Filmen Borgwards miserable kaufmännische Leistungen für sein Scheitern verantwortlich gemacht werden, versucht sich derFilm von Jörg Komorowski und Cay Wesnigk an einer anderen These: Borgward habe sich nicht genug um die politischen Seilschaften gekümmert. Am Ende hätte ihn der Senat fallen lassen. Der gelernte Schlosser sei „arrogant“ gewesen, auf Senatsempfängen reichte er – die Zigarre in der einen, das Sektglas in der anderen Hand – nur den kleinen Finger. „Er passte nicht in diese Kreise“, sagt ein Journalist. „Er wollte immer der erste sein und nie der zweite“, sagt Hans Koschnick, damals SPD-Bürgerschaftsabgeordneter.
Borgward war ein Mann, der alles selber machen wollte. Selbst an seinem Wochenendhaus hatte er eine Werkstatt angebaut. Dort verbrachte er den halben Tag und machte Entwürfe. Plante nicht nur die großen Linien: „Er entwarf jede Zierleiste selbst, sogar den Querschnitt einer Zierleiste hat er selbst gezeichnet“, heißt es im Film.
Der gebürtige Hamburger arbeitete sich vom Teilhaber an einer kleinen Fabrik hoch zum Bremer Unternehmer, dessen Jahresumsatz den Haushalt des Stadtstaates noch überstieg. Erster Meilenstein dieses Erfolgs war Borgwards „Blitzkarren“ – ein dreirädriges Automobil, mit dem Lasten bis zu fünf Zentnern tranportiert werden konnten und das zu einem Preis von 1.000 Mark. Goliath wird der Karren später genannt – Mitte der dreißiger Jahre das meistverkaufte Auto Deutschlands. Für die Wehrmacht produzierte Borgward im Krieg Lastwagen und Zubehör. 1944 wurde er von den Amerikanern verhaftet und 1946 als Mitläufer wieder entlassen. Da hatte er die Konstruktionspläne für seinen größten Coup schon in der Tasche. Angelehnt an die amerikanischen PKWs, die er aus den Illustrierten seiner Haftwärter kennt, zeichnete er die „Isabella“: Das Auto, das dem deutschen Aufschwung einen Namen gab. „Das war der Wagen für Individualisten“, sagt im Film ein ehemaliger Verkäufer Borgwards. Sein Name: Dieter-Thomas Heck. Eine der stärksten Szenen des Films zeigt Hitparaden-Heck in einem nachgestellten, leidenschaftlichen Verkaufsgespräch.
1960 aber, als die Amerikaner den Import von Autos reglementierten, kam es zur Krise. Ein wichtiger Absatzmarkt der „Isabella“ schrumpfte, Kredite konnten nicht zurückgezahlt werden. Borgwards Finanzierung war prekär: Er ließ die Lieferanten warten, beglich Rechnungen erst, wenn durch den Verkauf wieder Geld reinkam. Diese Rechnung ging nicht mehr auf. „Kluge Kaufleute sorgen für eine stabile Bankverbindung“, resümiert Koschnick die Fehler Borgwards. So aber sprach er wiederholt bei der Politik vor – zuletzt erfolglos.
Der Film vermag diesen Schritt nicht wirklich zu erklären. Verrannt in die These, Borgward sei hängengelassen worden, kommen andere Erklärungsmodelle zu kurz. Dabei deutet sich am Ende des Films noch mindestens ein spannender Zusammenhang an: Als Sanierer für die Borgward-Werke wird ausgerechnet der Aufsichtsratsvorsitzende von BMW – einem Konkurrenten Borgwards – bestellt, der dann ja auch prompt scheitert mit seinem Rettungsversuch. Und was die Bonner Politik betrifft, so mutmaßt einer: „Für Ludwig Ehrhardt war das eine Sache der Marktbereinigung.“
hey
Aufstieg und Fall eines Autokönigs. Heute um 21.45 Uhr in der ARD
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