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EU liebt die Schlammpeitzger

Kommission der EU tagte in Den Haag und fordert die Nachmeldung schützenswerter Arten im Hollerland und im Außenweser-Bereich. „Deutschland glaubte, die Kommission betrügen zu können“, sagt Martin Rode vom BUND Naturschutz

„Graphoderus bilineatus“ heißt das Tier, das das „Bio-Geografische Treffen der atlantischen Region“ in Den Haag auf der deutschen Liste vermisste, und das wird Folgen haben – für Bremen. Denn es waren die offiziellen Fachdelegierten der EU, die sich Anfang Juni in Den Haag trafen, und da ging es um die Bewertungen der Meldung schützenswerter Arten und ihrer Lebensräume nach der „Flora-Fauna-Habitat“-Richtlinie (FFH) der EU.

Es ging um die FFH-Meldungen von acht Atlantik-Anrainerstaaten, von Island über Dänemark bis Spanien und Portugal. Aber nur die aus Deutschland wurden von den EU-Vertretern grundlegend beanstandet. Deutschland soll nachmelden –und dann wird es allein für Deutschland eine Nach-Sitzung dieser Kommission geben.

„Auch Bremen wird um eine Nachmeldung nicht herumkommen“, freut sich der Vertreter des Bundes Naturschutz (BUND) in Bremen, Martin Rode. Der BUND hatte immer schon gesagt, dass Bremens Meldungen nicht korrekt seien – und seine fachliche Bewertung der EU mitgeteilt.

„Die deutschen Vertreter standen in Den Haag etwas dämlich da“, weiß der Bremer BUND-Mann. Sie hatten nämlich „Sprechzettel“ dabei, auf denen vorgegeben war, welchen Standpunkt sie vertreten sollten – und konnten so auf Nachfragen schlecht reagieren. Am Ende der Sitzung gab es dann „eine schallende Ohrfeige“. Rode: „Deutschland hat seine Lage falsch eingeschätzt. Man glaubte, die Kommission betrügen zu können.“ Während in der FFH-Richtlinie der EU klipp und klar steht, es müsse unter fachlichen Gesichtspunkten das Vorkommen der schützenswerten Arten gemeldet werden, hatte man in Deutschland eine politische Bewertung dessen vorgenommen, was gemeldet werden sollte und was lieber nicht.

Diese „wissentlich falsche Bewertung“ der EU-Richtlinie hatte in Bremen zum Beispiel dazu geführt, dass die Fachleute der Naturschutzbehörde bestimmte Gebiete melden wollten, der Senat aber beschloss, dass die schützenswerten Arten dort nicht vorkommen.

„Hier gehen Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum vor Froschkulturen“, hatte Bürgermeister Henning Scherf einmal zum Weser-Mündungsgebiet polemisiert, wo das Containerterminal IV geplant wird. „Unzureichende Meldungen“ beanstandete die Kommission dann bei den Flussmündungen, insbesondere auch der Weser. Nun muss auch Bremen nachmelden.

„Schlammpeitzger – das ist die neueste Erfindung unserer Öko-Leute. Die erfinden ständig neue schützenswerte Tiere. Das Beste gegen Schlammpeitzger sind übrigens Hechte. Die fressen die nämlich auf“, hatte Scherf gehöhnt. Die bio-geografische Kommission der EU ist da anderer Ansicht: Unzureichend finden die EU-Vertreter die Meldungen beim „Misgurnus fossilis“ und beim „Cobitis taenia“ – das sind die Schlammpeitzger und die Steinbeißer aus dem Hollerland.

„Graphoderus bilineatus“ ist der Fachbegriff für den Schwimmkäfer. „Im Hollerland ist das derzeit einzige Vorkommen in Deutschland“, sagt Rode. Die EU notierte, dass das Vorkommen gemeldet werden muss. Als geradezu „prioritär“ hat die Kommission der EU die Binnensalzstellen eingestuft und „unzureichende Meldung“ beanstandet. „Es gibt zehn solcher Stellen in Deutschland, eine der wichtigsten liegt im Hollerland“, sagt der BUND-Mann dazu.

„Unsere Forderung, dass alle Vorkommen zu melden sind, ist in Den Haag voll bestätigt worden“, freut sich Naturschützer Rode. K.W.

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