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ratgeber für rauchende reisende von RALF SOTSCHECK

Es gibt Bücher, die man einfach besitzen muss. In einem kleinen Buchladen in Edinburgh habe ich in der Abteilung für Minderheiten einen Schottlandführer für Raucher entdeckt. Der Umschlag ist recht ansprechend: Er zeigt einen dicken Dudelsackspieler, in dessen linkem Mundwinkel das Dudelsackrohr steckt und im rechten eine Zigarre. Es erfordert vermutlich viel Geschick, mit einem Lungenflügel ins Dudelsackrohr zu blasen und mit dem anderen an der Zigarre zu ziehen.

Das Buch ist von „Forest“ verlegt, einer Organisation, die 1981 gegründet wurde, um die wachsende Intoleranz gegenüber Rauchern zu bekämpfen. Das Vorwort stammt von Lord Harris of High Cross. Er zitiert eine Studie aus Uruguay, wonach viermal so viele Reispuddingesser an Lungenkrebs erkranken als Raucher. Über das passive Konsumieren von Reispudding ist wenig bekannt, aber man sollte in Restaurants vorsichtshalber darauf achten, dass man nicht in der Nähe eines Tisches sitzt, wo diese Süßspeise serviert wird.

Ich beschließe, das Buch auf seinen Nutzwert zu testen. Im Kapitel über raucherfreundliche Restaurants ist der New City Palace aufgelistet, ein chinesisches Restaurant neben dem Buchladen. Es bietet zum Lunch nicht nur preiswerte Menüs an, sondern verfügt auch über eine große Raucherzone, und sie liegt nicht direkt neben den Toiletten. Aber das nützt mir nichts. Ich bin der einzige Gast und bestelle eine Suppe. Während der Kellner auf meine Entscheidung in Sachen Hauptgericht wartet, serviert ein anderer Kellner bereits die Suppe. Zu meiner Überraschung bleibt er neben meinem Tisch stehen und wartet, bis ich aufgegessen habe. Als er mir den Teller wegzieht, bringt der erste Ober den Hauptgang. An eine Zigarette ist nicht zu denken. Nachdem ich das Chicken Chow Mein unter den ungeduldigen Blicken beider Kellner hastig heruntergeschlungen habe, räumt einer meinen Tisch ab, und der andere präsentiert die Rechnung. Eine Tasse Kaffee vielleicht, um Zeit für eine Kippe zu gewinnen? Nichts zu machen, lunch time ist vorbei und die Kellner wollen schließen. Ich werde an die Herausgeber des Raucherführers schreiben müssen. Aber immerhin gibt es in dem Buch ein Kapitel über die schönsten Hauseingänge, in denen man rauchen kann – zum Beispiel in der Chambers Street Nummer 8. Dort hängt eine Plakette in Gedenken an Sir Walter Scott, der „hier in der Nähe“ geboren wurde. Die Autoren empfehlen, sich zu Ehren des rauchenden Schriftstellers eine anzuzünden. Empfehlenswert sei auch der Grassmarket, besonders das östliche Ende des Platzes. Dort markiert ein Andreaskreuz den Ort, an dem früher der Galgen stand, auf dem die zum Tode Verurteilten ihre letzte Zigarette rauchten.

Ein Schotte, so berichten die Autoren, habe einem Engländer einmal gesagt, dass er wieder ein rauchender Schotte sein möchte, falls er noch mal auf die Welt komme. Der Engländer erwiderte, er möchte als nicht rauchender Engländer wiedergeboren werden. Darauf der Schotte: „Das ist das Schlimme an euch Engländern: Ihr habt keine Ambitionen.“

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