Das große Drama, das uns umgibt

Der finnische Architekt Juha Leiviskä stellte sein Werk vor und sein Streben nach einer zurückhaltenden baulichen Anpassung seiner Häuser in die Umgebung: Geschichte und Moderne sind für ihn unversöhnliche Gegensätze

Vom Drama der Umgebung und anderen GestaltungskritierienDie richtige Lage des Hauses bestimmt allein 90 Prozent von der Gestaltung

„Ich baue immer dasselbe Haus, – doch alle sind verschieden.“ Schwer zu sagen, ob es eine Neigung zum Aphorismus ist oder der für ihn anstrengende Umgang mit der deutschen Sprache. Es war jedenfalls nicht der einzige leicht verdrehte Kernsatz, den der finnische Architekt Juha Leiviskä in seinen Vortrag zum Besten gab.

Sein Werkbericht mit dem Titel „Kontinuität“ war der zunächst letzte Beitrag der Vortragsreihe „Denkanstöße“ des Bundes Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure (BDB) – insgesamt eine abwechslungsreiche und gut besuchte Reihe, die unterschiedliche Aspekte des Bauens und Architektenhaltungen vorstellte. Sie wird im Herbst mit einer zweiten Staffel fortgesetzt, und kein Geringerer als der 92-jährige Schöpfer der Bremer Stadthalle, Roland Rainer, wird zum Auftakt sprechen.

Kontinuität – das war ein wirklich treffend gewählter Leitbegriff für das Werk des 66-jährigen Finnen. Und das gilt gleich in dreifacher Hinsicht. Leiviskä steht zunächst zweifellos in der Kontinuität der finnischen Moderne, deren herausragendster Exponent, Alvar Aalto, ja auch in Bremen gebaut hat. Kontinuität bedeutet bei ihm aber auch: sich selbst treu bleiben. Man kann in seinen Arbeiten von den sechziger Jahren bis heute keine wesentlichen stilistischen Brüche vermerken. Der wichtigste Aspekt von Kontinuität findet sich bei Leiviskä aber in seinem Bemühen, ewig gültige Kriterien für Architektur und Gestaltung zu definieren.

Ein entscheidender Aspekt ist dabei die Landschaft. Sie ist ja bereits in gewisser Weise Architektur: geformter Raum. Die jeweilige landschaftliche Eigenheit, in die sich ein Gebäude einfügen soll, gilt es zu erkennen. „Die Bauten setzen das große Drama fort, das in der Umgebung geschieht.“ – Wieder so ein Satz. Ein anderer: „Die richtige Lage des Hauses ist bereits 90 Prozent der Lösung.“ Aussagen wie diese, die durch Werkbeispiele gut belegt wurden, unterstreichen, dass Leiviskä eine Haltung verkörpert, die man in der Sprache der Architekturtheorie wohl als Kontextualismus bezeichnen würde. Er ist ein Meister der selbstbewussten, gleichwohl zurückhaltenden baulichen Anpassung. Die moderne Formensprache erscheint bei ihm nicht als etwas, das demonstrativ – quasi als Beleg von Zeitgenossenschaft – in den Vordergrund gestellt wird. Eher kommt sie wie selbstverständlich daher. Das wirkt auch deshalb so, weil sie sich traditioneller Prinzipien bedient.

Geschichte und Moderne sind für Leiviskä keine unversöhnlichen Gegensätze. Traditionelle Anknüpfungen, die er wählt, können ländliche Bauten seiner Heimat sein, oder mittelalterliche Städte, die sich organisch in die Landschaft einfügen. Aber auch gotische Hallenkirchen und, vor allem, die Innenräume des süddeutschen Spätbarock. An Letzteren fasziniert ihn der souveräne Umgang mit der raummodulierenden Wirkung des Lichtes. Dieses Vorbild ist in Leiviskäs eigenen Kirchenbauten deutlich auszumachen. Aber nicht nur bei seinen. Er zeigt eine Innenaufnahme von Alvar Aaltos berühmter Kirche in Vuoksenniska und daneben Balthasar Neumanns Klosterkirche in Neresheim: „Aalto hätte es nicht akzeptiert, mit Barock verglichen zu werden – aber es ist so.“

Eberhard Syring

Am 19.9.2002 spricht der österreichische Architekt Roland Rainer, der Schöpfer der Bremer Stadthalle, in der BDB-Reihe „Denkanstöße“. Und zwar um 19 Uhr, Vortragssaal der Kunsthalle Bremen.