: „Ick schick sie alle weg“
Die Regionalbahnen sind unterbrochen, der S-Bahn-Tunnel dicht, der Alexanderplatz für die Tram gesperrt. Die Fahrgäste irren durch die Innenstadt auf der Suche nach Ausweichrouten und Ersatzverkehr. Zum Glück gibt es wegweisende Servicekräfte
von SUSANNE VANGEROW
Kurz vor Friedrichstraße ertönt eine Stimme, weiblich, leise, säuselnd. So einlullend, dass keinem der S-Bahn-Fahrgäste auffällt, was sie verkündet. Auf dem Bahnsteig erfährt man dann: Streckensperrung in der Innenstadt. Wohin jetzt, wenn man eigentlich zum Gesundbrunnen wollte? Gut Informierte hetzen voran. Die anderen beißen sich durch zu einer Informationstafel. Da stehen sie dann, ein großes „Hä?“ im Gesicht.
„Wie komm ich jetzt nach Hause?“, jammert Sejfudin Begauoisó. Gott sei Dank gibt es die Herren mit dem grünen „S“ auf der Brust. Unter weißen Sonnenschirmen strahlen sie Ruhe und Kompetenz aus. „Hey Jungs, ihr seid doch schlau“: geschäftig lehnt sich ein Fahrgast auf den Infotisch. Das schmeichelt – lächelnd weisen die Herren den Weg. Und auch Begauoisó kommt weiter – bloß eine Viertelstunde später als geplant. „Der will nach Hause – ick ooch“, seufzt ein S-Bahner, als er sich unbeobachtet fühlt.
Der BVG-Mann am Alex lächelt noch. Unter einem Straßenbahnhäuschen lässt er sich die Sonne ins Gesicht scheinen. „Ick schick sie alle weg“, ruft er und weist beständig mit dem einen Arm nach rechts, dorthin, wo statt Trambahnen nun Busse starten. „A oder B, ich weiß ja nicht mal, welchen Bus ich jetzt nehmen soll“, ärgert sich Student Christian Bruhn. „A“ hat er bereits sausen lassen. „Echt mies“, findet er das mit der Straßenbahn. Gewusst hat er davon nichts, obwohl er zweimal pro Woche vom Alexanderplatz nach Hohenschönhausen fährt. Per Handy gibt er durch, dass er nun viel zu spät zu seinem Termin kommen wird. Dann hält ein Bus. Er trägt abermals die Aufschrift A. Zum Glück hat Christian inzwischen herausgefunden, dass A oder B für ihn keinen Unterschied macht.
Am Bahnhof Zoo wartet eine Mutter mit Kind in der Schlange vor der Reiseauskunft. Nach Münster muss sie demnächst, und da wollte sie jetzt fragen, ob ihr Zug wohl vom Zoo fahren wird oder nicht. Über die Unterbrechung für Regional- und Fernverkehr ist sie selbstverständlich informiert. Die Warteschlange ist nicht besonders lang, aber träge. Die Mutter gibt entnervt auf.
Die zwei Service-Beamten von der Auskunft harren eisern aus. Runde um Runde beraten sie die Reisenden. Nicht besonders freundlich – aber korrekt. Nur ganz heimlich wischt sich die ältere Beamtin einmal den Schweiß von der Stirn. Ihr Kollege lächelt ergeben, als man fragt, ob er sehr gestresst sei.
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