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Es grünt so grün auf Cadmium

Senat duldet seit 20 Jahren Gemüseanbau auf mit Schwermetall vergifteten Altspülfeldern. Ein internes Papier der Wirtschaftsbehörde bestätigt, dass Probleme schlimmer sind als angenommen – Regeln des Verbraucherschutzes missachtet

von GERNOT KNÖDLER

In Harburg ist jahrzehntelang Gemüse auf mit Schwermetall vergifteten Altspülfeldern angebaut worden. Dabei gibt es seit den 90er Jahren Richtlinien, die einen Anbau von Lebensmitteln dort als gefährlich erscheinen lassen. Erst seit sich eine bindende Verordnung der EU abzeichnete, hat es 2001 umfassende Untersuchungen des Gemüses gegeben.

Nach einer vertraulichen Drucksache der Wirtschaftsbehörde lautet das Ergebnis, „dass die Problematik der Altspülflächen für die landwirtschaftliche und gartenbauliche Produktion im Wilhelmsburger Osten weitaus schwerwiegender ist, als in der Vergangenheit angenommen“. Der Umweltverband BUND hat Politik und Verwaltung deshalb vorgeworfen, sie hätten „jahrelang gegen alle Regeln des präventiven Verbraucherschutzes verstoßen“.

Auf den Altspülfeldern ist zwischen 1930 und 1989 Baggergut aus dem Hamburger Hafen aufgespült und damit „entsorgt“ worden. Als Äcker sind sie bei den Landwirten beliebt, weil sie trockener sind als vergleichbare Flächen.

Seit 1981 ist wiederholt gemessen worden, insbesondere wie viel Cadmium in den Spülfeldern schlummert. Die Ergebnisse waren alarmierend: Auf den Spülfeldern Ellerholz, Einlagedeich und Kleiner Sand wurden 1981 im Mittel 2,5 Milligramm pro Kilo sowie 9,4 und 5,9 Milligramm gemessen. Proben in den 90er Jahren zeigten keine Trendwende zum Besseren. Ein von der Bürgerschaft 1990 beschlossener Grenzwert schreibt systematische Überprüfungen der Pflanzen ab einer Konzentration von zwei Milligramm pro Kilo vor. Die Bundes-Bodenschutzverordnung (BBodSchV) von 1999 zwingt Behörden ab 0,1 Milligramm zum Handeln.

Ähnlich sieht es bei der Belastung des Korns oder Gemüses selbst aus: Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) schlug 1995 einen Richtwert von 0,1 Milligramm pro Kilo vor. Die EU legte 2001 in ihrer Kontaminanten-Verordnung für Blattgemüse 0,2 Milligramm als verbindlichen Grenzwert fest. Wie die taz hamburg berichtete, gilt er seit April 2002.

Bis zum Erlass der EU-Verordnung hielten sich die Hamburger Behörden jedoch zurück. „Es hat für die Lebensmittelüberwachung keinen Handlungsbedarf gegeben“, sagt Annette Hanke von der Gesundheitsbehörde. Denn bei dem BgVV-Richtwert habe es sich lediglich um eine „fachliche Empfehlung“ gehandelt. Um auf der sicheren Seite zu sein, habe man sich in Hamburg am Doppelten des BgVV-Richtwerts orientiert, um Handlungsbedarf zu signalisieren. Für ein Anbauverbot habe die rechtliche Grundlage gefehlt.

Der Drucksache aus der Wirtschaftsbehörde zufolge wurden aber in Einzelfällen „Vermarktungsverbote ausgesprochen“. Allerdings wurden die Feldprodukte auch nur im Rahmen der üblichen Lebensmittelkontrollen überprüft. Weil die Untersuchungen 2001 jedoch „vermehrt Überschreitungen der zukünftigen EU-Grenzwerte“ ergaben, vermutet der BUND, dass die Behörden in den Jahren zuvor mehr zu beanstanden gehabt hätten, wenn sie nur mehr geprüft hätten.

Jaeschke widerspricht: Das Gemüse sei in der Erntezeit alle 14 Tage untersucht worden, versichert er. Die Ausnahme: Schnell wachsende Sorten wie Salat, die bis vor kurzem als unproblematisch galten.

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