UMTS: Klagen ausgeschlossen

313 Handy-Antennen dürfen ohne Baugenehmigung errichtet werden. Das ist der Preis dafür, dass die Netzbetreiber die geplanten Standorte mit der Stadt abgestimmt haben. Die Nachbarn fühlen sich betrogen: „Ein Affront gegen Bürgerrechte“

Barbara Schneider von der Bürgerinitiative Scharnhorster Straße ist wütend: „Wenn mein Nachbar einen Wintergarten anbauen will, werde ich gefragt. Wenn aber neben meinem Haus eine Mobilfunkanlage gebaut wird, dann nicht.“ Mit Zustimmung der Baudeputation hat die Baubehörde für 313 geplante UMTS-Standorte in Bremen auf ein Baugenehmigungsverfahren verzichtet. Die Netzbetreiber können die umstrittenen Handy-Masten also einfach ohne Genehmigung in die Welt setzen.

Wenn am Donnerstag auch noch die Umwelt-Deputation ihren Segen dazu gibt, können die Antennen nach Gutdünken errichtet werden – nur die Funk-Genehmigung der Regulierungsbehörde muss noch vorliegen.

„Damit kann das Investitionsprogramm der Betreiber in der gewünschten Geschwindigkeit umgesetzt werden“, heißt es in einem internen Bremer Papier.

Mit einem Federstrich entledigt sich die Verwaltung so nicht nur eines Bergs aufwändiger Genehmigungsverfahren, sondern hält sich auch mögliche Klagen vom Hals. Denn wo gar kein Baubescheid ergeht, können Nachbarn ihn auch nicht per Widerspruch bei der Behörde oder gerichtlich anfechten.

„Die Bürger können gar nicht mehr überprüfen lassen, ob sie in ihren Rechten verletzt werden“, sagt Rechtsanwalt Kyrulf Petersen entrüstet, der die Anwohner-Initiative aus der Scharnhorststraße berät.

Petersen hält das Vorgehen der Stadt für rechtswidrig. Schließlich haben sowohl das niedersächsische Oberverwaltungsgericht als auch der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof in Urteilen klargestellt, dass Mobilfunkanlagen einer Baugenehmigung bedürfen. Nicht nur wegen der Antennenhalterungen und -masten an sich, sondern auch, weil ihr Bau in einem Wohngebiet unter Umständen „eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung“ darstellt.

Eine Baugenehmigungspflicht war ursprünglich auch in Bremen für neue Antennen vorgesehen. Im November letzten Jahres schloss die UMTS-Modellstadt dann ein Abkommen mit den Netzbetreibern: Wenn diese ihre Standorte mit den Behörden abstimmten, würde die Stadt im Gegenzug auf ein Baugenehmigungsverfahren verzichten.

Mobilfunk-Planer Thomas Lecke-Lopatta vom Stadtplanungsamt hält das nach wie vor für einen gelungenen Kompromiss. Die Stadt, und somit auch die Bürger, hätten so wesentlich bessere Einflussmöglichkeiten auf die Antennen-Standorte. Weil die Bundesregierung die flächendeckende Versorgung mit Mobilfunknetzen nämlich zur Grundversorgung zähle, seien die rechtlichen Möglichkeiten, Sender per Konfrontationskurs zu verhindern, sehr gering: „Was nützt das beste Klagerecht, wenn die Klage keinen Erfolg hat?“

Außerdem, so Lecke-Lopatta, habe man alle Standorte in den Beiräten diskutiert – allerdings ohne große Folgen.

Sofern die Beiräte die vorgeschlagenen Sendeanlagen pauschal und nicht einzelfallbezogen abgelehnt hatten, fand ihr Votum kein Gehör. Das gleiche gilt für 26 Standorte, für die in der Umgebung kein Ersatz gefunden wurde.

Zu diesen gehört auch der bereits mit einigen Handy-Masten gespickte Bunker in der Scharnhorststraße. „Das ist nicht mein Traumstandort“, gibt Lecke-Lopatta freimütig zu.

Um die Akzeptanz der Bevölkerung für die Sendeanlagen zu erhöhen, ist immerhin ein Standortkataster geplant. Auf der Landkarte sollen die Masten und die Strahlenbelastung eingesehen werden können – „ein Instrument der Öffentlichkeitsarbeit“, sagt der Planer.

Armin Simon