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Atempause für Liberias Hauptstadt

Liberias Regierungsarmee hat die von Guinea unterstützte Rebellengruppe Lurd zurückgeschlagen. Aber tausende Flüchtlinge durchziehen das westafrikanische Land. Präsident Charles Taylor zieht aus der Krise innen- und außenpolitischen Nutzen

aus Monrovia HAKEEM JIMO

„Man muss sich fragen, ob wir hier in Liberia wirklich einen Krieg haben oder ob nicht alles inszeniert ist“, sagt Togbah-Nah Tipoteh. „Ich glaube, die Rebellen stehen auf der Gehaltsliste von Taylor.“ Der etwa 65-jährige Professor für Ökonomie führt im westafrikanischen Liberia die Opposition. Er ist nach den Präsidentschaftswahlen von 1997 der einzige der damaligen Gegenkandidaten des Wahlsiegers und Amtsinhabers Charles Taylor, der noch im Land ist. Und er traut der Wandlung Taylors vom Warlord zum Demokraten nicht.

Seit knapp einem Jahr herrscht in Liberia, das 1990–96 vom Bürgerkrieg verwüstet wurde, wieder Krieg: Die Rebellenbewegung Lurd (Liberians United for Reconciliation and Democracy) versucht, Taylor zu stürzen. Und es sprechen tatsächlich einige Indizien dafür, dass Taylor davon profitiert, während er sich nach außen als Opfer ausgibt. Er verhängte den Ausnahmezustand, der Anfang Mai um ein halbes Jahr verlängert wurde. Oppositionsparteien dürfen sich zwar organisieren, doch Großveranstaltungen sind ihnen untersagt. Formal existieren zwar alle demokratischen Institutionen, praktisch aber nickt das Parlament die Politik der Regierung unkritisch ab, und die Justiz gilt ohnehin als wenig unabhängig. Die Macht und das Geld hat Seine Exzellenz Dr. Dahkpannah Charles Ghankay Taylor. Der Doktortitel soll aus Taiwan kommen, das überall im Land öffentliche Projekte finanziert.

Das ändert nichts daran, dass das Aufkommen der neuen Rebellen neues Leid über Liberia gebracht hat. Jeden Tag erreichen hunderte von Menschen die Vertriebenen-Camps nahe der Hauptstadt Monrovia. Der 47-jährige Thomas Pshorr kam nach einem Tag auf der Flucht in die rund 150 Kilometer von seinem Heimatdorf entfernte Hauptstadt. „Wir sind heute früh aus dem Gebiet von Grand Cape Mount vor angreifenden Rebellen geflohen“, sagt Pshorr. „Sie haben ohne Vorwarnung auf unsere Siedlungen geschossen.“ Frau und mehrere Kinder habe er aus den Augen verloren, sagt der 47-jährige Familienvater, der seinen Lebensunterhalt als Fischer verdient. Er hofft, dass sie auch in eines der vier Lager finden, wo schon mehrere zehntausend Menschen leben.

Bei der Hauptstadt sind die Flüchtlinge vorerst sicher. Ein Vormarsch der Rebellen bis an die Stadtgrenze von Monrovia wurde im Mai vorerst abgewehrt. Die Regierungstruppen haben wieder die volle Hoheit über sämtliche strategisch wichtigen Städte wie Gbarnga und Klay zurückgewonnen. Und auch in der Hauptstadt ist der normale, schwere Alltag zurückgekehrt.

Jeff Mutada, Berater im Informationsministerium, spricht von einer „Hit-and-run“-Taktik der Rebellen. „Soweit ich weiß, haben die Terroristen keinen Ort oder Gebiet unter ihrer Kontrolle“, behauptet er. „Sie schlagen zu und laufen dann weg.“

Charles Taylor, der wegen seiner Unterstützung von Rebellen im benachbarten Sierra Leone vergangenes Jahr unter UN-Embargo gestellt wurde, nutzt die Rebellenattacken, um seinerseits Druck auf das Ausland auszüben. Er fordert ein Ende der Sanktionen, um die Demokratie in seinem Land zu verteidigen. Die internationale Gemeinschaft gerät in Zugzwang, da sie die Rebellen verurteilen und somit indirekt Taylor stützen muss. Andererseits bleiben die Sanktionen.

Westafrikanische Vermittler versuchen jetzt, eine Annäherung zwischen Charles Taylor und dem Präsidenten des benachbarten Guinea, Lansana Conté, herbeizuführen, um den Krieg zu beenden. Es wird angenommen, dass die Versorgungswege der Lurd über Guinea laufen. Die Opposition in Liberia ist aber auch über die Friedensabsichten des eigenen Präsidenten skeptisch. „Wir könnten schon längst Frieden in Liberia haben, wenn Taylor es ernst meinte, egal ob es in der Regierung einen Richtungskampf der Hardliner gegen die Kompromissbereiten gibt“, so Oppositionsführer Tipoteh. „Allein Taylor bestimmt, wo es langgeht.“

Auf jeden Fall haben die Rebellenangriffe Taylor eine innenpolitische Verschnaufpause verschafft. Es geben jene den Ton an, die die Rebellen verurteilen und Taylor walten lassen wollen – obwohl sich anscheinend eine Mehrheit der Bevölkerung von Taylor abgewandt hat. Zuerst, so die geläufigste Meinung in Monrovia, muss der verdammte Krieg aufhören. Dann werde man schon sehen, was bei den für nächstes Jahr angesetzten Wahlen ohne Ausnahmezustand mit Taylor passiert.

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