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Hypothetisch garantierte Jobs

Rechtsstreit um Airbus-Erweiterung in Finkenwerder verzögert sich weiter. Gericht entscheidet frühestens Ende August. Airbus-Chef Gante jongliert derweil mit Zusagen über Arbeitsplätze, die er nie gegeben hat. Und schon gar nicht für Hamburg

von SVEN-MICHAEL VEIT

Die Chancen für die Rettung der Elbbucht Mühlenberger Loch und des Obstbauerndorfes Neuenfelde sinken. Denn eine Entscheidung über einen neuerlichen Baustopp für die Erweiterung des Airbus-Werks Finkenwerder wird frühestens in gut zwei Monaten gefällt werden. Das Verwaltungsgericht Hamburg verschob einen für diesen Monat geplanten Verhandlungstermin jetzt auf Ende August. Je länger Justitias Mühlen mahlen, desto unwahrscheinlicher wird, dass Richter die Werkserweiterung für den Riesen-Jet A380 für unrechtmäßig erklären und die Renaturierung des Elbbiotops anordnen. „Das ist sehr bedauerlich“, kommentiert Manfred Braasch, Geschäftsführer des BUND Hamburg. Jede Zeitverzögerung „spielt der Stadt und Airbus in die Hände“.

Derweil lassen die Standort-Fans die Zeit nicht ungenutzt verstreichen. Eine Delegation von 22 norddeutschen Luftfahrtfirmen traf sich gestern im französischen Toulouse, dem Hauptsitz von Airbus, mit Vertretern von 40 dortigen Unternehmern. Mehrere Kooperationsabkommen und sogar eine deutsch-französische Firmenfusion seien geschlossen worden, freute sich Karl-Jochim Dreyer, Präses der Handelskammer Hamburg und Leiter der Delegation. Airbus sei „das gemeinsame industrielle Leitbild“, schwärmte Dreyer über die „neue Qualität der Zusammenarbeit“ der beiden größten Luftfahrtzentren Europas. Sehr zur Genugtuung von Hans-Joachim Gante. Der Vorstandschef von Airbus Deutschland frohlockte über diese „positiven Impulse“ für den A380.

Denn der werde, so Gante, „allein im Finkenwerder Werk ... rund 2000 Arbeitsplätze schaffen“ bis zum Jahr 2007. „Zu dieser Zusage stehen wir nach wie vor – ohne Abstriche!“, versichert er in einem „Thesenpapier“, das er im Standort-Organ Hamburger Abendblatt veröffentlichte. Und widerspricht sich zwei Absätze später selbst. Durch den A380 und den geplanten Militärtransporter für die Bundeswehr würden „in den neuen Bundesländern ... rund 750 neue Arbeitsplätze entstehen“. Daraus ergebe sich, so der Airbus-Chef, „eine gesamte Beschäftigungswirkung von rund 2000 Arbeitsplätzen.“

Offen bleibt somit, wo diese 2000 Jobs tatsächlich entstehen würden. Möglich wäre eine formale Anstellung in Hamburg mit „Verleasung“ von Arbeitnehmern in die ostdeutschen Airbus-Werke Dresden und Rostock. Eine juristisch verbindliche Zusagegarantie für neue Arbeitsplätze in Finkenwerder mag Airbus gegenüber dem Hamburger Senat oder in den Gerichtsverfahren übrigens seit Jahren nicht abgeben.

In diesem Zahlenwirrwarr verhedderte sich nicht nur Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Der behauptete vor zwei Wochen bei einem Werksbesuch in Finkenwerder, es würden „1500 Arbeitsplätze“ entstehen. In der am 13. Juni von der Bürgerschaft beschlossenen „Lex Airbus“, mit der die Gemeinnützigkeit der Werkserweiterung angeordnet wird, ist nur noch von der „Sicherung bestehender Arbeitsplätze“ die Rede. Und im Planfeststellungsbeschluss vom 8. Mai 2000, Grundlage der jetzigen Bauarbeiten, wird die Notwendigkeit des Projekts mit der Schaffung von „2000 direkten und 2000 indirekten zusätzlichen Arbeitsplätzen“ begründet.

Anlässe genug für den GAL-Abgeordneten Christian Maaß, eine kleine Anfrage an den neuen Rechtssenat zu richten. Maaß möchte präzise aufgeschlüsselt wissen, welche und wieviele Arbeitsplätze wann und in welchen Betriebsbereichen entstehen.

Nach den bisherigen Erfahrungen dürfte der Grüne mit einer Standardantwort beschieden werden: „Der Senat nimmt zu hypothetischen Fragen keine Stellung.“

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