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Cadillac des Todes

Die Dokumentation „I‘ll never get out of this world alive“ sucht nach Hank Williams, dem ersten Star des Country – und findet ihn auf dem Friedhof

von GEORG FELIX HARSCH

„I wanna ride in/ the car Hank died in“ sangen die Austin Lounge Lizards auf ihrer gleichnamigen Single Anfang der 90er und machten sich damit in Nashville endgültig unbeliebt. Die Ironie einer solchen Liebeserklärung muss dem Country-Business, wie wir es kennen, eben entgehen, wo man noch nicht einmal auf die Idee gekommen ist, dass gerade ihre inhaltliche Ambiguität diese Musik so spannend machen kann.

Für die Erstellung eines Denkmals erscheint der Wunsch jedoch angemessen, Hank Williams‘ letzte Fahrt am 1. Januar 1953 nachzuvollziehen, während der er auf dem Rücksitz seines rosafarbenen Cadillacs an einer Mischung aus Wodka und Tabletten sanft entschlief. Schließlich geht es hier um den Mann, der als erster Star der Country-Musik aus dem Blues das männliche Selbstmitleid destillierte und es mit Hillbilly-Lebenswelten und dem Klagen der Pedal-Steel-Gitarre verheiratete. Es sollte also nicht schwierig sein, adäquater an diesen Mann und seine Kunst zu erinnern, als es die Bronze-Statue in Williams‘ Geburtsort oder die ständigen Zweitverwertungen seiner Songs durch seinen unsäglichen Sohn Hank Williams Jr. tun.

I‘ll never get out of this world alive, der 1991 entstandene und seither selten gezeigte Dokumentarfilm von Wolfgang Büld, Christin Kelling und Olaf Krämer bewältigt diese Aufgabe mit Bravour. Als eine „Suche nach Hank Williams“ kündigt der Film sich an, und nach dem Sehen hat man den Eindruck, man wäre auf einem großen Südstaaten-Friedhof spazieren gegangen, nur lose auf der Suche nach einem bestimmten Grab. Schließlich sind fast alle der Verwandten, Freunde, Kollegen und Epigonen, deren Erzählungen und Coverversionen der Film kompiliert, inzwischen tot: die Exfrau Audrey, der Bluegrass-Erfinder Bill Monroe oder der Songschreiber Townes van Zandt.

Von Sterben, Tod und allem, was dazugehört, ist entsprechend viel die Rede. Hanks Alkohol- und Drogensucht sowie ihr Resultat werden aus verschiedensten Perspektiven erörtert: von den Saufgeschichten seiner ehemaligen Kollegen über die betroffenen Berichte seiner Tochter bis zu den verlogenen Verklärungen seiner Schwester und seines einstigen Gitarristen. Gerade die Lügen und Beschönigungen arbeitet die Montage präzise heraus. „Hank nahm nur Drogen, die ihm der Arzt verschrieben hatte, niemals Straßendrogen. Er war kein Junkie, no, sir“, hören wir – und sehen dazu ein Foto, auf dem Williams drogenkränker aussieht, als Joey Ramone es wohl je war.

Auch die religiöse Verbrämung, die Hanks Schwester seiner Biographie angedeihen lässt – „Hanks Tod war nicht tragisch. Er hatte nur seine Mission auf dieser Erde erfüllt“ – wirkt im direkten Zusammenhang mit den Geschichten von autodestruktiver Arroganz verzweifelt peinlich. Nur folgerichtig ist da die unvermittelt eingefügte Rede von George Bush sen., der behauptet, seine wichtigsten Tipps für den Umgang mit Saddam Hussein aus der Country-Musik erhalten zu haben.

Neben dem Entlarven der reaktionären Südstaaten-Bigotterie ist aber der Umgang mit der Musik Hank Williams‘ die zweite und entscheidende Stärke des Films. So virtuos wie unaufdringlich bedienen sich Büld, Kelling und Krämer der Ikonographie des Southern Gothic, um die unsäglich traurigen Songs ihres Helden zu bebildern: Kaputte Neonschilder, Highways im Regen und immer wieder der viel zu große Himmel. Dazwischen sehr alte Männer in himmelblauen, Perlmutt-besetzten Anzügen, die auf dem Weg zu einem Auftritt noch schnell ihre Wertschätzung für Hank Williams ins Mikro nuscheln.

„I‘ll never get out of this world alive“ war auch der Titel der letzten Single des „Driftin‘ Cowboy“, und der Film macht die Spannung zwischen Angst und Glamour sichtbar, die im Song so deutlich hörbar ist. Als ein Stück dokumentarischer Kunst erfüllt er aufs Beste den Wunsch nach einer Fahrt im rosaroten Cadillac des Todes.

heute, morgen, 28. + 29.6., jeweils 22.45 Uhr, Alabama

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