: Mit Rumpeln zum Ruhm
Was ist drin für das DFB-Team gegen die USA? Wer darf höllisch aufpassen? Wer beißt und kratzt? Warum wird Deutschland nicht ausscheiden? Und wenn doch: Wer wird dafür die Schuld kriegen?
aus Cheju FRANK KETTERER
Heute um 13.30 Uhr (MEZ) steigt im südkoreanischen Ulsan das große Duell der beiden Fußball-Großmächte. Deutschland gegen USA heißt es dann – und es geht zwischen diesen beiden Giganten des runden Leders um nichts weniger als den Einzug ins WM-Halbfinale. Wer wann warum und wie in dieses kommen wird – die taz beantwortet heute auch noch die letzten Fragen zum Spiel der Spiele.
Hat der gemeine deutsche Rumpelfüßler mit der Teilnahme an diesem Viertelfinale nicht schon mehr erreicht, als man ihm vor der WM zugetraut hatte?
Aber unbedingt, das gibt ja selbst Rudi Völler, der Teamchef, zu. Der sagt: „Wir sind hierher gefahren ohne Erwartungen. Man hat uns eigentlich, ich will ja nichts sagen, bereits im Vorfeld aufgegeben.“ So krass sollte man das allerdings wirklich nicht sagen. Ein ehrenhaftes Ausscheiden nach der Vorrunde mit einem überragend herausgespielten Punkt gegen Saudi-Arabien war nämlich selbst vor der WM durchaus realistisch.
Dann kann Deutschland im Viertelfinale gegen die USA ja völlig befreit und ohne jeglichen Druck aufspielen?
Im Prinzip: Ja. Tatsächlich: Nein. „Der Druck, der brutale Druck, ist natürlich weg“, sagt Uns Rudi, was auch der Spieler Marco Bode gerne bestätigt: „Man hat das Schlimmste überstanden. Jetzt entwickelt sich der Druck in eine positive Richtung. Man kann ab jetzt immer mehr gewinnen als verlieren.“ Das könnte man durchaus so sehen, wenn der Gegner Brasilien hieße oder England. Brasilien oder England kann der Gegner aber erst im Finale heißen (oder im Spiel um Platz drei), am Freitag heißt er hingegen: USA. Und, sorry Mexiko und Portugal, wer gegen die USA im Fußball verliert, muss wirklich schon ganz schön bescheuert sein, was offenbar auch Völler-Adjudant Michael Skibbe ausdrücken möchte, wenn er da feststellt: „Unser Team ist stärker als die USA und deshalb werden wir sie schlagen.“
Gibt es überhaupt eine Chance, dass Deutschland verliert?
Theoretisch ja, aber wirklich nur rein theoretisch. Dann nämlich, wenn es in dem Spiel um nichts ginge und es in Übersee stattfände. Dort – und nur dort – hat der ruhmreiche DFB bisher gegen die Soccer-Boys verloren, vor drei Jahren mit 0:3 und 0:2. In richtigen Fußballspielen und außerhalb der USA aber ging Deutschland stets als Sieger vom Platz, so auch bei der letzten WM in Frankreich. 2:0 gewann das Team damals in der Vorrunde – und das sogar unter Berti Vogts.
Die WM 1998 ist allerdings kein gutes Beispiel. Damals schied Deutschland doch im Viertelfinale aus, oder etwa nicht?
Doch, doch, schon. Durch ein 0:3 gegen Kroatien; und auch weitere vier Jahre zuvor verlor Deutschland sein Viertelfinale, mit 1:2 gegen Bulgarien übrigens. Deshalb vergleicht Torhüter Oliver Kahn die jetzige Situation ja auch mit den Jahren 94 und 98, wenn er darauf hinweist: „Auch damals haben alle gesagt: Wir kommen weiter“ – und deshalb fordert: „Wir müssen höllisch aufpassen.“
Wer wird denn höllisch aufpassen müssen? Oder anders gefragt: Wer spielt gegen die USA?
Dazu hat Rudi Völler mal wieder nur gesagt, dass er dazu nichts sagt, weshalb erneut nur im Kaffeesatz gelesen werden kann. Als sicher gilt, dass Didi Hamann im defensiven Mittelfeld in die Mannschaft zurückkehrt, jedenfalls hat ihn Vize-Völler Skibbe mächtig gelobt, nämlich als „ganz wichtiger Spieler, der ein unglaublich guter Ballverteiler ist und sich auch in schwierigen Situationen im Mittelfeld immer wieder zeigt“. Außerdem sind natürlich Oliver Kahn im Tor, der einzige deutsche Weltklassespieler, Miroslav Klose im Sturm und Michael Ballack im Mittelfeld gesetzt. Spekuliert wird hingegen vor allem um die Abwehrformation. Wenn Völler mit Viererkette spielt, könnte diese aus Frings, Linke, Metzelder und Ziege gebildet werden, dann wäre für Bode Platz auf der linken Seite. Bei einer Dreierkette könnte sogar Ramelow wieder ins Zentrum der Abwehr rücken und somit zwischen Linke und Metzelder. Dann würde Frings wohl rechts und Ziege oder Bode links spielen.
Jens Jeremies spielt in den Überlegungen keine Rolle? Und wer stürmt neben Klose?
Jeremies spielt in den Überlegungen des Teamchefs offenbar tatsächlich eher eine untergeordnete Rolle, was ehrlich gesagt nicht ganz so leicht nachvollziehbar ist. Im Sturm dürfte sich Völler zwischen Jancker und Neuville entscheiden.
Das klingt ja nach Konkurrenzkampf um die Startplätze. Verläuft der wenigstens friedlich?
Offensichtlich ja. „Es läuft ohne Beißen und Kratzen ab“, hat Marco Bode verraten. Und Miroslav Klose hat festgestellt: „Es gibt keine Schlägereien und es fallen keine schlimmen Worte.“
Wird Klose denn sein sechstes WM-Tor schießen?
Er will und muss, jedenfalls wenn er die Torjägerliste wieder alleine anführen möchte. Derzeit teilt er sich diesen Platz ja mit Brasiliens Ronaldo, der auch schon fünfmal getroffen hat. Deshalb wünscht sich Klose ja, dass er gegen die USA „ein, zwei Tore machen kann“ und zuvor schon „Brasilien gegen England“ rausgeflogen wäre. Dann hätte er diese lästige Zahnlücke vom Hals. Sollte Klose tatsächlich treffen, wäre es übrigens für einen guten Zweck: „Ich würde das Tor Fritz Walter widmen“, hat der Kaiserslauterer angekündigt.
Das Achtelfinale gegen Paraguay war ja spielerisch nicht gerade das Gelbe vom Ei. Wird das Spiel gegen die USA besser?
Da darf man eher wenig Hoffnung haben. Zwar sagt Teamchef Rudi: „Wir wollen nicht nur gewinnen, sondern dabei auch guten Fußball spielen.“
Aber zwischen Wollen und Können liegen manchmal ja Welten. Schatten-Rudi Skibbe warnt deshalb schon mal vor, etwa wenn er ahnt: „Es ist ein ähnliches Spiel wie gegen Paraguay zu befürchten.“ Weil: „Wir sind spielerisch nicht stark genug, um ein Spiel über 90 Minuten zu dominieren“, was Skibbes Boss übrigens ganz ähnlich sieht. „Man kann nicht Zauberfußball von uns erwarten. Wir müssen versuchen, mit unseren Mitteln Erfolg zu haben.“
Als da wären?
Blöde Frage: die deutschen Tugenden natürlich. Und Oliver Kahn im Tor.
Wenn Deutschland doch verlieren und ausscheiden sollte – wer trüge dann Schuld?
Carsten Ramelow selbstverständlich. Schließlich sagt er ja selbst: „Der Letzte ist immer der Blöde. Ich habe mein Image weg, deshalb ist es leicht, auf die Ruhigen einzuprügeln. Es scheint heute normal zu sein, dass man sich ein, zwei Spieler rauspickt und dann auf denen rumhackt.“
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