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Bremen ist im Halbfinale

Trotz Rumpelfüßen und Zittersieg: Im Viertel herrschte „uneingeschränkte Solidarität“, anschließend Gehupe und Gewedel mit schwarzrotgold. Hochpatriotische Stimmung beim Spiel von Tante Käthes Buben – und kaum einer fragte:„Wer spielt heute?“

Freitag, 13.30 Uhr in Bremen. Nur noch Mädchen und Warmduscher sitzen nicht vor dem Fernseher, der Rest ist geistig in Ulsan. Die letzten Wochen waren hart, heute titelte Bild „Ami go home!“ Und natürlich ist auch in Bremen irgendwie Endspiel, die Stadt, in der keiner fragt: „Wer spielt heute?“

Deshalb steht im „Litfass“ am O-Weg eine Großbildleinwand im Fenster, an der Mauer hängen schwarz-rot-goldene Plakate mit der Aufschrift „uneingeschränkte Solidarität“. Immerhin ist Besitzer Norbert Sohn von „Pico“ Schütz, der Werder-Legende von dunnemals. Vielleicht 200 Fans sind gekommen, Viertel-Publikum zwischen 20 und 30, ein paar mummeln sich in Deutschland-Flaggen. Auch Viertelbürgermeister Robert Bücking ist da. Im Ortsamt ist Feierabend, alle ausgeflogen. Bücking: „Wir haben festgestellt, dass es heute kein anderes Thema gibt und zugemacht. Außerdem: ‚Think global, act local‘.“ Als Tante Käthe ins Bild kommt, „Ruuuuuudi-Grummeln“ und „Nimm doch den Ziege raus“. Und immer wieder „Olli“-Grölen, weil Kahn die Cowboys kirre macht.

Das Hegarty’s schräg gegenüber ist knallvoll. Prost, Deutschland. Höherer Männeranteil, höhere Guiness-, Beck‘s- und Kristalldichte, noch mehr Gröhlfaktor – Fußball als Appell an die tierischsten Gefühle des Menschen. Aber: Es gibt Premiere und Marcel Reif statt ZDF und Johannes B. Kerner.

„Wer Fußball gucken will, steht hier seinen Mann“, meint Tobias (24)., der schon per SMS Freunde für das Halbfinale am Dienstag eingeladen hat. Hinten im Pub ist Ostkurven-Stimmung: Die Luft steht, jede Ecke wird La-Ola-mäßig gefeiert. Tobias tippt irgendwas zwischen zwölf und drei zu null. Zum ersten Mal seit Jahren hat er heute wieder das Nationaltrikot an, das „ich verbrennen wollte, nachdem die Deutschen in Rotterdam 0:3 gegen Portugal verloren haben“.

Kein Angst. „Finale, hoho“-Gesänge auf die „Cantare, oho!“-Melodei, als Ballack in der 39. Minute zum 1:0 köpft. Ohrenbetäubender Lärm, Fußmassen stampfen wie auf der Werder-Tribüne – Personen unter 1,50 Meter Größe droht der Zertretungstod. Fußball ist ein Meister aus Deutschland.

Auch im „Carnaval“ auf den Höfen gibt’s Premiere – und zum Glück nicht so viel Gedränge. WM-Mittagstisch für die 30-Plus-Generation. „Echte“ Brasilianer im Gelb-Grün-Dress sitzen ermattet draußen, sie haben sich schon heute früh ins Halbfinale gegurkt. „Ich bin zwar keine Brasilianerin, aber die spielen wenigstens nicht so pillepalle“, meint die Barfrau. „Wenn wir wollen, spielen wir 8:0“, lallt ein Typ, „Olli, halts Maul“, pfeifen ihn seine Kumpels zurück. Als Bode in der 77. Minute eingewechselt wird, schreit einer, „lass dich anschießen und hau ihn rein“, als der Bremer in der Nachspielzeit allein vorm Tor kläglich versiebt, kommt ohnmächtige Wut in den Höfen auf.

Trotz Rumpelfüßen und Zittersieg klingt alles hochpatriotisch aus. Hupende Autofahrer, „Es gibt nur ein’ Rudi Völler“- auf „Guantanamera“-Noten – und steigendes Grausen vor der WM 2006 in Deutschland.

Kai Schöneberg

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