Neugierige Säugetiere

Mit Delfinen durch die türkisfarbene Karibik schwimmen. Sie halten Augenkontakt und begleiten aufmerksam die Bewegungen der Menschen. Manchmal lassen sich die Delfine sogar berühren

von RALF KUEPPER

Ankunft

Am Seaplane Terminal in Miami treffe ich die anderen elf Mitglieder meiner Reisegruppe. Nach kurzer Wartezeit fliegen wir los in Richtung Bahamas. Spannend, besonders für jemanden, der noch nie mit einem Wasserflugzeug in nur zweitausend Fuß Höhe unterwegs war. Hin und wieder tauchen kleine Eilande auf, die meisten von ihnen sind unbewohnt.

Unser Ziel ist Bimini, eine der siebenhundert Inseln der Bahamas. Sie liegt sechzig Meilen entfernt von Miami, Flugzeit zwanzig Minuten. Bimini ist zwölf Kilometer lang und ungefähr zwei Kilometer breit. Viel wächst da nicht. Breite, menschenleere Strände, Palmen und Sträucher sind zu sehen. Das Erste, was mich beeindruckt, ist das leuchtende Türkis der Karibik und die Klarheit des Wassers.

Die Leute von Wildquest holen uns mit ihrem roten Minibus ab. Daya, eine Engländerin, Atmo aus Tschechien und Sandesha aus Köln. Ein kleines, komfortables Hotel innerhalb des Dorfes ist unsere Unterkunft. Glücklicherweise gibt es gleich zur Begrüßung ein schmackhaftes Essen. Es wird Wert gelegt auf eine gesunde Kost. Und zum Nachtisch gibt’s noch Informationen über die kommenden Tage.

Zweiter Tag

Nach dem Frühstück bereiten wir uns auf die erste Tour vor. Sandesha macht noch schnell von allen eine Aufnahme mit der Kurliane-Maschine. Die meisten wissen noch nicht, was sie von diesem Experiment halten sollen. Denn dieses Gerät soll die Energiefelder von lebenden Organismen aufzeichnen können. Am Ende der Reise wollen wir erneut Aufnahmen machen, um dann zu schauen, ob sich durch das Zusammentreffen mit den Delfinen etwas verändert hat.

Mit einem Motorkatamaran fahren wir zum nächsten Strand und werden kurz in den Umgang mit Flossen und Schnorchel eingewiesen. Klasse, endlich ins Wasser zu kommen. Die Sicht in dem kristallklaren türkis Wasser ist umwerfend. Ich sehe gleich ein paar große Entenmuscheln am Meeresboden liegen. Dann geht unserer richtiger Ausflug los. Eine Stunde später und sechs Meilen entfernt treffen wir die ersten Delfine. Vier erwachsene Tiere und zwei Babys erscheinen ganz plötzlich vor unserem Bug. Sie spielen in der Bugwelle des Schiffes. Tauchen auf und wieder ab. Ihre Körper glänzen im Sonnenlicht. Wir stoppen ab, die Delfine bleiben trotzdem in der Nähe des Bootes. Daya erklärt uns, dass sie über ihre Körpersprache die Bereitschaft signalisieren, mit uns im Wasser zu schwimmen.

Nacheinander tauchen wir ab. Die Delfine schwimmen in unserer Nähe, halten Augenkontakt und begleiten unsere Bewegungen durch das Wasser. Dabei kommen mir diese nicht gerade kleinen Meeresbewohner manchmal sehr nahe. Faszinierend. Die Tiere sind sehr verspielt und zeigen keinerlei Angst, sondern Neugier. All das in 27 Grad warmem Wasser, in dem man fast dreißig Meter weit sehen kann. Nach diesem ersten Zusammentreffen bin ich begeistert, und es ist eine gute Stimmung an Bord, als wir in den Sonnenuntergang zurückfahren. Sehr hungrig sind wir allerdings, denn Tauchen macht Appetit.

Dritter Tag

Leider sind die Bedingungen auf dem Meer etwas ruppig. Der Seegang ist heftig und das Wasser deswegen unklar. Es ist windig. Die Palmen und die wenigen immergrünen Gewächse auf der sehr flachen Insel beugen sich unter dem stetigen Druck des Windes. Hier wächst wegen dem trockenen Sandboden ohnehin nicht viel. Aber die Menschen scheinen mit den wenigen Dingen, die sie haben, auf ihre Art zufrieden zu sein. Jedenfalls mag ich ihre Freundlichkeit und ihren Humor.

Aufgrund des stürmischen Wetters fahren wir heute nicht zu den Delfinen. Stattdessen besuchen wir ein Riff auf der Leeseite der Insel und machen unter diesen windgeschützten Bedingungen eine aufregende Schnorcheltour. Viele Barracudas, die wie versteinert in den Korallenbänken stehen und auf Beute lauern, erwarten uns. Sie sind ungefährlich, solange sie in Ruhe gelassen werden. Deshalb mache ich vorsichtshalber einen großen Bogen um sie.

Es zeigen sich aber noch andere Riffbewohner: leuchtende Korallenfische, Guppys und Grouper mit herrlichen Mustern. Ich schwimme durch einen Schwarm kleinerer Fische hindurch. Versuche sie zu berühren. Sie lassen es zu und schwimmen ohne Eile weiter. Ich beende den Tag mit einer Massage, die Amlas, eine der Wildquest-Mitarbeiterinnen, morgens und abends anbietet.

Vierter Tag

Heute hat sich das Meer beruhigt, der Tiefausläufer ist schnell durchgezogen, und es ist schon frühmorgens richtig heiß. Alle sind gespannt, denn die Wetterlage ist gut, um nach Delfinen Ausschau zu halten. Nach dem Frühstück gibt es eine kurze Breath-Meditation. Eine schöne Art den Tag in Ruhe zu beginnen. Dann fahren wir hinaus auf das Meer. Nach ungefähr zehn Seemeilen verlangsamt der Skipper die Fahrt, doch leider sind noch keine Delfine zu entdecken. Wir müssen warten. Und da sind sie, schnellen wie aus dem Nichts neben dem Boot aus dem Wasser und vergnügen sich damit, vor dem Bug des Katamarans zu schwimmen. Besonders gut Gelaunte katapultieren ihre Körper hoch in die Luft.

Ich tauche ab und schwimme begleitet von einigen Delfinen schwerelos durch das offene Meer. Manchmal, wenn die Sonne von Wolken verdeckt ist, macht mich das Tauchen im offenen Meer nervös. Ich erwarte dann etwas Größeres, das sich da, aus der dunkelblauen Ferne kommend, nähern könnte. Doch glücklicherweise halten sich Haie dort, wo Delfine sind, nur ausgesprochen selten auf. Ich mag die Delfine mit ihrer Eleganz, ihrer Verspieltheit, Offenheit und Stärke. Auf der Rückfahrt wird nicht viel gesprochen. Alle sind allein mit ihren Gedanken an unsere neuen Freunde.

Fünfter Tag

Wir gehen sehr früh an Bord und machen uns zuerst auf zu einem kleinen Forschungsausflug. Auf den Spuren von Atlantis, besser der „Atlantis Road“. Damit gemeint sind riesige Steinmonolithen in fünf Meter Wassertiefe. Sie sind Gegenstand vieler archäologischer Untersuchungen gewesen. Atlantis konnte jedoch nie wirklich nachgewiesen werden. Es wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben.

Wir fahren zum letzten Mal zu den Delfinen hinaus. Inzwischen schaffe ich es, mich zeitweise mit delfinähnlichen Bewegungen durchs Wasser zu schieben. Die Anstrengung wird belohnt, wenn mich einer von ihnen begleitet oder sogar berührt. Einfach so, vielleicht aus Sympathie? Nach dem Essen gibt’s noch einmal ein Kurliane-Foto. Und überraschenderweise ist das Ergebnis ein anderes Bild als beim ersten Versuch. Am Abend veranstalten wir einen abschließenden Zirkel, in dem alle von ihren aufregendsten Erlebnissen mit den Delfinen erzählen.

Sechster Tag

Freitagmorgen nach dem Frühstück steigen wir wieder ins Seaplane, zurück nach Florida. In Miami treffe ich auf eine Reisegruppe Japaner. Irgendwie bin ich trotz der stressfreien Zeit auf Bimini gereizt, da ich weiß, dass auf ihrem Speiseplan die Delfine zu den beliebten Delikatessen zählen.