: Partei mit Auflösungstendenzen
Dennoch berät die Schill-Partei heute auf ihrem Bundesparteitag erneut über eine Teilnahme an der Bundestagswahl
HAMBURG taz ■ Ronald Schill ist wie vom Erdboden verschluckt. Vor einem halben Jahr verging kein Tag, an dem der Hamburger Politrichter im Range eines Innensenators nicht sein Gesicht in irgendeine Kamera hielt. Damit ist längst Schluss. Der Vorsitzende der Partei Rechtsstaatlicher Offensive tritt kaum noch öffentlich in Erscheinung, und auf der Landespressekonferenz lässt er sich vertreten.
Auch innerparteilich ist der Nimbus der Unangefochtenheit weg. Vor allem die Schill-Leute aus den westlichen Bundesländern kritteln herum. Heute, beim Bundesparteitag in Hamburg, werden sie erneut versuchen, die Teilnahme der Partei an der Bundestagswahl gegen ihren Vorsitzenden durchzusetzen.
Die Schill-Partei zeigt Auflösungserscheinungen. Die Rückendeckung aus den anderen Bundesländern für den hanseatischen Parteigründer bröckelte bereits Anfang Mai, als Schill schon einmal einen Parteitag nach Hamburg eingeladen hatte
. Die Abstimmung über den Antritt zur Bundestagswahl scheiterte damals an der Beschlussfähigkeit, weil nicht einmal ein Viertel aller Parteimitglieder erschienen war. Zwar gab es dort noch stehende Ovationen für einen Schill, der sich in seiner Rede in wüsten ausländerfeindlichen Beschimpfungen erging.
Doch bei der Debatte um das Antreten am 22. September bekam Schill Gegenwind. Die Schill-Leute aus Thüringen und Hessen, aus NRW und Baden-Württemberg träumen zwar nicht unbedingt von einem Sitz im Bundestag, aber von Wahlkampfkostenerstattung und Medienpräsenz.
Auf dem Parteitag im Mai moserten schon einige Delegierte: Seit Schill verkündet habe, er werde nicht zur Bundestagswahl antreten, sei das Medieninteresse an der Partei schlagartig gesunken.
Die Reaktion Schills auf diese ungewohnten Anflüge von Opposition: Die Wortführer, der nordrhein-westfälische Landeskoordinator Dieter Mückenberger und sein Thüringer Kollege Martin Moderegger wurden flugs abgesetzt.
Der Landesbeauftragte Niedersachsens, Hans-Joachim Selenz, ein ehemaliger Manager der Salzgitter AG, nahm ebenfalls seinen Hut: Für eine Partei, die nur in Hamburg aktiv sei, stehe er nicht zur Verfügung.
Pleiten, Pech und Pannen auch bei der Organisation: Der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern, gerade erst aus der Taufe gehoben, musste sich wegen formaler Fehler wieder auflösen. Die Gründung anderer Landesverbände kommt auch nicht voran. Die Kassen der Schill-Partei sind leer: Zu leer für einen Bundestagswahlkampf.
Wie die Abstimmung ausgeht, ist völlig offen. Es hängt wohl davon ab, wie viele Mitglieder motiviert sind, noch einmal nach Hamburg zu kommen, nachdem sie im Mai schon vergeblich angereist waren. An der fehlenden Beschlussfähigkeit wird es diesmal jedenfalls nicht scheitern: Es genügt die einfache Mehrheit der Anwesenden. PETER AHRENS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen