: Zwiespältiger Abend
Gehört: Das Giuseppe Sinopoli-Porträt-Konzert präsentierte viel Zweitrangiges des Musikintellektuellen
Die NDR-Reihe „das neue werk“ hat sich erstmals seit langer Zeit wieder des kompositorischen Schaffens Giuseppe Sinopolis angenommen und diesem großen Musikintellektuellen ein Porträt-Konzert gewidmet. In seiner Frühphase bis 1974 folgte Sinopoli der Fährte der Zweiten Wiener Schule um Schönberg, Berg und Webern. Er schrieb diverse Werke, die allerdings ebenso eklektisch wie uninspiriert gerieten wie die in Hamburg aufgeführte Klaviersonate und die „Souvenirs à la mémoire“. Spätere Werke künden von einer ganz eigenen Klangsprache. Gleißende Klangflächen durch raffinierteste Instrumentation und in sich pulsierende Klangfelder wurden zu Kennzeichen seiner Musik. Im Kammerkonzert konnte man dies gut hören.
Silvia Capellini, die Witwe Sinopolis, spielte dieses Werk mit großer Souveränität, Gestaltungskraft und wunderschönen Anschlagsnuancen. Diese Darbietung unter Mitwirkung eines kleinen Ensembles des NDR-Sinfonieorchesters wurde so zum Höhepunkt eines zwiespältige Gefühle hinterlassenden Abends. Da musste man sich nämlich fragen, warum derart viel zweitrangige Musik Sinopolis gespielt wurde, das wichtigste Werk des Portätierten, seine Oper Lou Salomé, jedoch nur mit zwei Nummern in Klavierfassungen vertreten war.
Einen weiteren Mangel des Abends verkörperte das Orchester, in dem es insbesondere bei den Blechbläsern immer wieder beträchtlich wackelte. Darüber hinaus wirkten die Musiker phasenweise so, als ob gar nicht verstanden hätten, was sie da gerade musizierten. Das mag zwar auch am Dirigenten Emilio Pomarico gelegen haben, aber von einem Orchester solchen Anspruchs muss man mehr erwarten können. Reinald Hanke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen