: Sicherheit wird zur Norm
Ein normaler Wachmann kostet mittlerweile weniger als 5 Euro die Stunde: Private Sicherheitsdienste sind in der Krise. Eine neue DIN-Norm soll Dumpingpreise verhindern
Die Bundesrepublik hat eine weitere Industrienorm, auch wenn es kein Industriezweig ist, der neu geregelt wird. Denn Norm DIN 77200 schreibt vor, wie „Sicherheitsdienstleistungen“ auszusehen haben. Wer sein Eigentum bewachen lassen will, kann künftig nachsehen, für wie viel Geld eine der drei „Leistungsstufen“ zu haben ist.
Dreijährige Kleinarbeit war nötig, bis sich der „Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen“ (BDWS) zusammen mit dem Deutschen Institut für Normung in Berlin, dem Bundesinnenministerium, dem Bundeskriminalamt, der Europäischen Polizeigewerkschaft und Wirtschaftsunternehmen auf das neue Regelwerk geeinigt hatte.
Aber diese Qualitätsnorm ist längst nicht alles: Mittelfristig streben die Sicherheitsdienste das Gütesiegel „DIN-geprüfter Fachbetrieb“ an – und setzen damit unverblümt auf die „DIN-Hörigkeit der Öffentlichkeit, besonders der Behörden“, wie es in der BDWS-Mitgliederzeitung heißt. Und gleich darauf kommt zur Sprache, was die Sicherheitsdienste besonders ärgert: „Billigpreisvergabe der öffentlichen Hand und Vergabe nach DIN 77200 sind nicht vereinbar, sind wie Feuer und Wasser“, schreibt Verbandsvize Franz Feuerstein. „Jeder, der von Qualität spricht, muss auch Qualität meinen und sie ehrlich bezahlen wollen.“
Dumpingpreise: das ist das Hauptproblem der Sicherheitsdienste – obwohl das Thema Sicherheit spätestens seit den Terroranschlägen vom 11. September dominiert. Doch trotz dieser rhetorischen Konjunktur haben die Unternehmen ihre Sicherheitsbudgets nicht so aufgestockt wie erwartet. Inzwischen ist bei den meisten Firmen sogar „wieder Alltag eingekehrt, die Nachfrage nach Schutzleistungen hat sich normalisiert“, beklagt der BDWS. Er organisiert rund 420 der etwa 2.700 privaten Sicherheitsdienste.
Wichtigster Auftraggeber der Branche mit ihren rund 145.000 Beschäftigten ist der Staat. Denn zunächst einmal profitieren die Sicherheitsdienste von den leeren Steuerkassen: Private Wachmänner ergänzen zunehmend die Polizei. Doch obwohl sich die Zahl der Wachunternehmen seit 1992 mehr als verdoppelte, wuchsen die Umsätze dezenter. Sie stiegen nur von zwei Milliarden Euro auf rund dreieinhalb Milliarden Euro an. In Berlin, einem eigentlich wachsenden Markt, sind sie sogar von rund 200 Millionen Euro auf circa 150 Millionen Euro zurückgegangen. Wieder ein Effekt der klammen Steuerkassen: Die öffentliche Hand ist ein knauseriger Kunde. Selbst die niedrigste Tarifstufe eines privaten Wachschützers, die bei fünf Euro pro Stunde liegt, werde gerne noch gedrückt, beklagt Verbandsgeschäftsführer Harald Olschok. Ein Beispiel? Der Bundestag wird zu Dumpingpreisen geschützt.
Doch mit der neuen Norm wollen die großen Sicherheitsdienste nicht nur die Billigstanbieter vom Markt entfernen: Sie wollen auch ernster genommen werden, vor allem von der Polizei, mit der zunehmend regionale Sicherheitskooperationen abgeschlossen werden. Daher soll noch in diesem Jahr ein neuer, anerkannter Ausbildungsberuf entstehen. Darauf hat man sich mit Bundesbildungsministerin Bulmahn (SPD) geeinigt. Ab September sollen Jugendliche eine dreijährige Ausbildung als „Fachkraft für Schutz und Sicherheit“ absolvieren können. Eine im letzten Jahr eigens gegründete „Deutsche Sicherheits-Akademie GmbH“ soll die Bildungsaktivitäten koordinieren. Bis zu 700 neue Lehrstellen könnten so mittelfristig entstehen, schätzt der BDWS. OTTO DIEDRICHS
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